Benjamin Nauschütz aus Essen

„Ich habe heimlich Elton John gehört – das durfte keiner wissen.“

Hallo Benny. Stell dich bitte kurz vor.

Ich bin Benny Nauschütz, 38 Jahre alt und Rechtsanwalt. So wie sich das meine Eltern auch für mich gewünscht haben. Und gleichzeitig mache ich ganz viel Musik und verdiene da auch mein Geld mit. Ich habe eine wunderbare Frau, die ebenfalls musikalisch ist und sehr gut singen kann. Zusätzlich leite ich mit Ted Terdisch und Igor Albanese eine Eventagentur. Aktuell planen wir gerade zum Beispiel die Rüttenscheider Musiknacht.

Wohnst du schon dein ganzes Leben lang in Essen?

Geboren bin ich in Karlsruhe. Erst nachdem ich nach Essen gezogen bin, habe ich herausgefunden, dass mein Urgroßvater Rektor an der Graf-Spee-Schule in Bredeney war. Ein witziger Zufall. Sonst hat aber kaum einer aus meiner Familie etwas mit dem Ruhrgebiet zu tun. Meine Frau Joyce ist auch gebürtige Karlsruherin. Da haben wir uns im Jugendalter kennengelernt und sind auch zusammengekommen. Sie war die kleine Schwester eines Schulfreundes. Wir haben uns zunächst mit 14 und 17 als Straßenmusikduo zusammengetan – und damit auch ordentlich was verdient. Ich sah auch damals wild aus, was Haarfarben anging. Da probiert man sich in der Jugend gern mal aus.

Dann habe ich in Frankfurt studiert und Joyce ist nach Berlin gegangen. Dort haben wir uns dann wiedergetroffen, sind wieder ein Paar geworden und erstmal in Berlin geblieben. Joyce hat sich dann für einige Kunst- und Musikhochschulen beworben und eine Zusage aus Essen erhalten. Daher sind wir nach Essen umgezogen. Mittlerweile ist sie Diplom-Sängerin.

Ich war zu dieser Zeit kurz vor dem Ende des ersten Staatsexamens meines Studiums in Frankfurt, habe viel aus Büchern studiert und bin nur für die Prüfung dorthin gefahren. Dann habe ich hier am Landgericht Essen mein Referendariat absolviert.

Wie bist du damals zur Musik gekommen?

Früher war das bei mir so, dass man zu einer Gruppe gehörte und da war ich damals bei den Schulpunks. Die waren halt einfach die coolsten – das war so. Meine Punk-Band hieß „Holz“ – ich war Sänger und Keyboarder. Da war ich so zwischen 15 und 19 Jahren alt. Also eine ausgedehnte pubertäre und postpubertäre Phase – da haben meine Eltern ganz schön was mitgemacht. Wir haben Ton, Steine, Scherben und die Bands gehört, die man in der Szene so gehört hat. Aber letztendlich fand ich das eigentlich kacke. Ich habe heimlich Elton John gehört – das durfte keiner wissen.

Wie bist du dann zu einer anderen Musikrichtung gekommen?

Meine Mutter war Krankengymnastin in einer Körperbehindertenschule in Langensteinbach. Da war ein Schlagzeuger einer Soulband, der mich auf einer Schulparty hat Klavier spielen hören. Ich wurde zum Vorspielen eingeladen und hatte ein Aha-Erlebnis, wie Musik funktionieren kann, wenn tatsächlich alle zusammen anfangen und aufhören. Danach war für mich auch relativ schnell Schluss mit der Punkband. Musikalisch hat sich da für mich eine neue Welt aufgetan.

Welche Instrumente spielst du?

Klavier und ein bisschen Gitarre. Und ich singe. Ich habe damals mit Blockflöte gestartet und hatte dann klassischen Klavierunterricht seit ich sieben war bis zu meinem 18. Lebensjahr. Gitarre habe ich mir selbst beigebracht. Das machte Sinn, um solche Leute wie meine jetzige Frau kennenzulernen – am Lagerfeuer muss man Gitarre spielen können.

Würdest du lieber nur von der Musik leben wollen oder empfindest du Anwalt und Musiker sein als guten, gegensätzlichen Mix?

Ja. Das stimmt. Es ist sehr gegensätzlich. Und ich habe mich das auch schon häufiger gefragt. Ich glaube, wenn ich wüsste, ich könnte mit der Musik bis ich in Rente gehe Geld verdienen, dann würde ich mir ernsthaft überlegen, die Anwaltstätigkeit ganz an den Nagel zu hängen. Aber letztendlich ist es, glaube ich, gut so, wie es ist. Es ist zwar manchmal etwas stressig, weil man als Anwalt sehr punktuell und fristgebunden arbeiten muss. Oft fallen Fristen oder Gerichtstermine leider mit Auftritten zusammen. Das ist dann sehr stressig. Es gibt aber auch ruhigere Zeiten, die das wieder ausgleichen. Beides sind bei mir selbstständige Tätigkeiten und ich finde beides sehr spannend.

Es gibt kein Wochenende. Sich mit Leuten zu treffen ist teilweise echt schwierig. Januar, Februar, März sind sehr ruhig, was die Musik angeht. Und auch in der Kanzlei ist es in dieser Zeit überschaubar. Im Januar ist bei uns immer die Bude brechend voll, weil dann immer Freunde kommen ohne Ende. Im Februar machen wir immer Urlaub.

Zwischen Mai und Dezember – vor allem aber im Sommer – ist tierisch viel los was die Musik angeht. Musik machen ist ja auch nicht so romantisch, wie man sich das immer vorstellt. Man spielt nicht immer nur tolle Konzerte in der Philharmonie, sondern auch auf einem 50. Geburtstag oder einer Firmenfeier, wo du nur leise in der Ecke stehst und dir nicht wirklich jemand zuhört. Oft sind eben die Jobs, die Geld bringen, eher die uninteressanten.

Für mich ist es ganz cool, dass ich diese zwei Standbeine habe bzw. durch die Agenturarbeit sogar drei. Gerade Eventmanagement ist auch etwas, das ich mir gut für später vorstellen kann.

Wirst du manchmal im Gerichtssaal als Musiker erkannt?

Am Anfang war mir das immer todpeinlich, aber mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt: Im Gerichtssaal werde ich schon hin und wieder – auch von der Gegenseite – angesprochen, ob ich nicht dieser Musiker sei. Das ist dann manchmal komisch, weil du als Anwalt gerade im privatrechtlichen Bereich die Mandanten ja neben dir sitzen hast. Letztendlich hatte das Wiedererkennen im Gericht aber nicht wirklich einen Einfluss auf meine Arbeit als Rechtsanwalt, es geht bei Gericht dann doch meist sachlicher zu, als man das aus dem Fernsehen kennt.

Machst du mit Joyce zusammen auch eigene Lieder?

CDs bringen wir hin und wieder raus. Jetzt hat Joyce gerade eine Jazz-CD rausgebracht, zusammen mit Thomas Hufschmidt und einem Quartett. Wir bringen demnächst eine CD raus mit Stefan Mageney, einem Rock-Sänger, zusammen. Eigene Lieder machen wir hin und wieder auch, haben aber, was das angeht, noch keine CD rausgebracht. Es ist ein großer Unterschied, Musik zu spielen oder Musik zu erfinden. Und das sind für mich zwei unterschiedliche Gaben. Ich habe sehr großen Respekt vor einem guten Songwriting. Ich sehe aber auch künstlerischen Wert im Interpretieren von Liedern, die es schon gibt.

Hast du musikalische Vorbilder?

Stevie Wonder zum Beispiel finde ich Wahnsinn, weil er als Musiker so viel gemacht hat, was mich persönlich auf verschiedene Art und Weise sehr inspiriert.

Du hast kürzlich mit dem Rauchen aufgehört?

Ja. Zusammen mit meiner Frau vor vier Wochen. Wir waren auf Bali, haben dort Urlaub gemacht und nochmal fett geraucht und dann beide danach aufgehört. Ich habe durchgehend seit ich 15 war geraucht – bis meine Tochter letztens zu mir sagte „Papa, willst du eine brauchen?“ und ich dann dachte, damit muss jetzt Schluss sein. Ich hoffe es hält, gerade wenn man mal mit Freunden bei einem Bier zusammensitzt.

Hast du noch Zeit für andere Hobbies?

Seit zwei Jahren ist meine Tochter mein Hobby – ein sehr umfangreiches Hobby. Ansonsten bin ich sehr spießig geworden, weil wir jetzt tatsächlich Eigentümer eines Hauses geworden sind und man so Sachen wie den Garten machen muss. Ich habe auch Bäume gepflanzt – ich weiß nur nicht, ob ich die durchbringe.

Musik machen ist aber nach wie vor mein Hobby. Wenn etwas ansteht, wie die Gestaltung unserer Website, dann finde ich darin auch ein kurzfristiges Hobby. Außerdem fahre ich gerne Fahrrad und finde das Ruhrgebiet total genial dazu.

Was gefällt dir am Ruhrgebiet?

In den Süden wollte ich nie wieder zurück. Der Schlag Leute hier im Ruhrgebiet ist einfach super und gefällt mir eindeutig besser. Die Leute sind direkter, lockerer: Diese typischen Vorurteile stimmen eben auch. Den Vorstandsvorsitzenden, der mit dem Bauarbeiter zusammen eine Currywurst am Imbissstand isst, den wirst du in Karlsruhe nicht finden. Das ist so ein Bild aus meiner Heimat aus Karlsruhe, was mich dazu bewogen hat, hier ins Ruhrgebiet zu ziehen und eben auch hier zu bleiben.

Es gibt in Karlsruhe zum Beispiel einen Porscheclub, für den ich mal gespielt hab. Und das war so eine furchtbare Veranstaltung. Das ist ja cool, dass sich die Porschefahrer da zusammentun – gibt´s hier bestimmt auch – aber da war so eine Haltung „Wir sind der Porscheclub – und ihr net!“. Und so sind die Karlsruher.

Woher aus Karlsruhe kommst du?

Aus der Weststadt. Eigentlich schön. Das einzige, worin Karlsruhe dem Ruhrpott voraus ist, weil es wahrscheinlich einfach mehr Geld gibt, ist, dass dort viel Kulturelles für die doch relativ kleine Größe angeboten wird.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du und warum?

Ich glaub, ich wäre einer aus dem gallischen Dorf, weil ich das gallische Dorf total gut finde. Die sind irgendwie aufständisch, raufen sich selber, sind aber trotzdem dicke Freunde und können die Römer verprügeln. Methusalix find ich cool – der hat diese junge Frau und haut immer alle, die versuchen mit ihr anzubandeln. Und die sind auch ein bisschen punkig und leben das.

Das Interview führten wir im April 2017.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.