Barbara Conrad aus Essen

„Man muss sich da durchkämpfen und das Positive daraus ziehen.“

Hallo Barbara. Stell dich doch bitte kurz vor.

Mein Name ist Barbara Conrad und ich bin in Essen geboren. Ich bin Personal Trainerin und Coach. Zuvor habe ich in Essen eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht und habe hier einige Jahre gearbeitet. Das war mir allerdings zu langweilig. Da hab ich damals einfach meine Bewerbungsunterlagen zusammengepackt und bin zur Fibo nach München gefahren. Ich dachte, es muss doch was Interessanteres für mich geben als den Job bei der Sparkasse.

Ich bin dann an eine Sportmarketing-Agentur in Köln geraten. Da haben wir zum Beispiel so Größen wie Steffi Graf unter Vertrag gehabt und viele Leichtathleten und Olympia-Sieger. Das war eine ganz interessante Zeit. Über den Job habe ich dann meinen damaligen Mann kennengelernt. Der hat die Schwester- Agentur in London geleitet.

Und dann bist du nach England gezogen?

Irgendwann haben wir beide in den Sack gehauen, ich bin nach London gezogen und wir haben uns selbstständig im Bereich Eventmanagement und Sportmarketing gemacht. Wir hatten einen guten Start. Das war eine total spannende Zeit und wir haben viele Sportler kennengelernt – vor allem im Golf- und Fußballbereich. In Wimbledon war ich zum Beispiel damals und habe das Finale von Boris Becker und Steffi Graf gesehen, weil zufällig ein paar Kunden nicht kamen und die Tickets übrig waren. Insgesamt habe ich 15 Jahre in England gelebt und da auch meine beiden Kinder bekommen.

Wie bist du dann wieder nach Deutschland gekommen?

Ich wollte mich von meinem damaligen Mann trennen und habe überlegt, wie ich den Absprung schaffen könnte. Das ist nicht so einfach, wenn man mit zwei Kindern in einem anderen Land sitzt und überleben muss. Eine Freundin von mir hat mir dann erzählt, dass British Airways so Leute wie mich suchen würde. Ich habe dann zweieinhalb Jahre als Customer Service Agent in London Heathrow am Flughafen gearbeitet. Danach bin ich aber dann endgültig wieder nach Deutschland gezogen. Ich wollte einfach wieder zurück. Zu meinem Glück hat British Airways in Düsseldorf gerade Leute gesucht und die waren von mir begeistert und haben mich sofort genommen. Ich hab dann Kind und Kegel gepackt und bin zurück nach Deutschland nach Essen gezogen. Das war im Mai 2001.

Was hast du danach gemacht?

Nach knapp 2 Jahren Arbeit im Flughafen wollte ich gerne wieder einen Job mit geregelter Arbeitszeit haben. Eine Bekannte las in einer Anzeige, dass der Kardiologe und Sportmediziner Dr. Lauprecht in Essen Kettwig eine Mitarbeiterin für seine Praxis suchte. Das hat sich für mich interessant angehört. Meine Erfahrungen im Bereich Service und Sport haben dazu geführt, dass ich die Stelle bekommen habe. Ich war seine erste Mitarbeiterin und das war eine tolle Zeit. Ich habe viel gelernt und während der Tätigkeit dort festgestellt, wie wichtig es für Patienten ist, Sport zu treiben. Ich hatte zwar in England schon nebenbei als Trainerin gearbeitet und ein paar Ausbildungen gemacht, aber über diese Schiene ist mir das Thema noch mal nähergekommen, sodass ich auch in der Praxis Personal Training mit den Patienten durchgeführt habe und außerhalb der Praxis Nordic Walking Kurse für Patienten geleitet habe.

Wie ging es dir in deinem Privatleben?

Während dieser Zeit habe ich meinen jetzigen Mann Thomas kennengelernt. Er war auch alleinerziehend mit zwei Kindern und so wurde daraus eine Patchworkfamilie mit 4 Kindern. Er hatte damals noch eine Kinderfrau, seine Ehefrau war verstorben. Wir haben ein bisschen gerechnet, aber es war dann klar, dass ich meinen Job aufgebe und mich erst mal mehr um die Kinder kümmere. Die Kinderfrau hat nämlich genauso viel gekostet, wie ich in meinem Job verdient habe. Aber nur Hausfrau und Mutter zu sein war für mich nicht genug.

Und darum hast du dich wieder selbstständig gemacht?

Wir haben dann eine GmbH gegründet und so ist meine Firma Trimunia GmbH entstanden. Neben der Familie konnte ich auf diese Art und Weise Personal Training anbieten. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr viel weitergebildet. Ich habe zum Beispiel eine Ausbildung zum Systemischen- und Mentalcoach gemacht. Das hat mir auch sehr bei meiner Krankheit geholfen.

Welche Krankheit?

Ende 2015 – einen Tag vor Weihnachten – habe ich die Diagnose Brustkrebs bekommen. Der Familie haben wir erst mal nichts davon erzählt, um ihnen die Weihnachtsfeiertage nicht schlecht zu machen. Ich hatte Glück und brauchte keine Chemotherapie. Im Januar wurde ich operiert und anschließend bekam ich Strahlentherapie.

Wie wurde der Brustkrebs entdeckt?

Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber es war sozusagen „innere Eingebung“. Ich habe mir irgendwie eingebildet, ich hätte Brustkrebs. Man konnte nichts erkennen, aber mein Gefühl hat mir keine Ruhe gelassen und so habe ich mich untersuchen lassen. Beim Ultraschall hat die Ärztin dann tatsächlich etwas gesehen. Sofort am nächsten Tag habe ich eine Mammografie machen lassen. Da wurde das bestätigt. Dann noch eine Biopsie im Krankenhaus. Am 23. Dezember hatten wir dann den Termin für die Besprechung. Von den Bildern her war mir ziemlich klar, dass es Brustkrebs ist. Der Arzt hat dann klar gesagt, dass der Tumor bösartig ist, aber dass ich Glück habe, weil es früh erkannt und 100-prozentig östrogenabhängig war und ich keine Chemo brauche. Die Heilungs-Chance bei dieser Art von Tumor liegt bei 95 %. Thomas und ich hatten die Tränen in den Augen und mussten lachen. Der Arzt hat uns komisch angeguckt. Ich war aber einfach erleichtert, weil ich es mir viel schlimmer vorgestellt hatte. Wir waren nach dem Gesprächstermin erst mal feiern und sind essen gegangen.

Und dann musstest du operiert werden und hast eine Strahlentherapie bekommen?

Das lief zum Glück alles sehr erfolgreich und positiv. Ich habe versucht, mein Leben so weiterzuführen wie gehabt und habe nach zwei Wochen schon wieder mit Nordic Walking angefangen, habe meine Personal Training weitergemacht und gearbeitet. Es war zwar tierisch anstrengend – klar, Strahlentherapie und dann anschließend Sport – das ist alles nicht so einfach. Aber es ging. Man muss sich da durchkämpfen und das Positive daraus ziehen.

Was war das Positive für dich daran?

Mein damaliger Ausbilder zum Coach hat immer zu mir gesagt „Sieh es als deine Chance.“ Zur Ausbildungszeit hatte ich extreme Prüfungsangst und bin vor lauter Angst durch die Prüfung gerasselt. Mein Coach hat mich danach aufgebaut und sein Spruch liegt mir heute immer noch im Ohr. So auch, als ich an Krebs erkrankt bin. Da hab ich mir gedacht: „Jetzt hast du Brustkrebs, bist selber Coach und Personal Trainer. Das ist doch deine Chance, daraus was zu machen!“ Eben nicht im negativen Sinne, sondern die Erfahrungen, die ich gemacht habe, dass es sich lohnt, zu kämpfen und sich nicht unterkriegen zu lassen, weiterzugeben. Ich habe so viele Patienten erlebt, die in Depressionen verfallen sind und müde waren und den Hintern nicht mehr hochgekriegt haben. Nun habe ich dafür ein Konzept entwickelt, welches zu mir als Trainerin passt und zu meiner Persönlichkeit. Eben zu meinen Erfahrungswerten als Coach, durch meinen Sport und auch als Patientin.

Welchen Sport hast du gemacht?

Ich war Hochleistungssportlerin im Kanu-Rennsport und viele Jahre in der Nationalmannschaft. Ich habe an drei Olympiaden teilgenommen: 1976 in Montreal, 1980 war ich nominiert (Deutschland hatte damals boykotiert) und 1984 in Los Angeles. Ich habe dort eine silberne und eine bronzene Medaille gewonnen und insgesamt an vielen Welt- und Europameisterschaften teilgenommen und auch noch 34 Deutsche Meisterschaftstitel errungen. 1985 habe ich mit dem Hochleistungssport aufgehört. Mit dem Vater von Steffi Graf habe ich mal in Zürich, als ich bei einem Tennisturnier war, zusammen gegessen. Da hat er mich gefragt, was ich denn so für einen Sport machen würde. Als ich sagte „Kanu“ meinte er nur: „Ach schade, dann hast du ja kein Geld verdient.“ Das war so die einzige Aussage dazu. Ich meinte nur „Dafür habe ich aber Spaß an meinem Sport!“

Ist dir mal was Lustiges in deiner Sportlerkarriere passiert?

Eher was Böses … Bei der Weltmeisterschaft 1974 in Mexiko damals waren wir in so einer kleinen Bar. Unser Masseur hatte Geburtstag und da gab es so einen komischen Cocktail, der hieß ‚Ponche de Granada’. Da war eine Walnuss oben drin. Das haben wir die ganze Zeit getrunken. Ich war sturzbesoffen. Dann sind wir in die Sportanlage gefahren, wo wir übernachtet haben. Nachts musste ich mich natürlich übergeben und das fing leider auch irgendwo im Flur auf dem Weg zur Toilette schon an. Ich habe den ganzen Flur entlang meine Spuren hinterlassen und schließlich das ganze Waschbecken vollgemacht. Ich war total fertig und hab das alles so gelassen wie es war und bin zurück ins Bett gegangen. Ich war zu fast nichts mehr in der Lage. Der nächste Morgen war der Hammer: Meine in der Nacht gelegte „Spur“ fing zufällig genau an der Zimmertür der DDR-Mädels an! Da war dann entsprechende Stimmung!

Wie oft hast du in deiner Hochphase trainiert?

Dreimal täglich. 1984 habe ich ja noch während der Olympiavorbereitung bei der Sparkasse gearbeitet. Die Sparkasse hat mich da sehr unterstützt. Ich habe dann vormittags trainiert, bin dann von 12 bis 17 Uhr arbeiten gegangen und habe dann nach der Arbeit noch mal trainiert. Also zwei lange Einheiten – vormittags aufs Wasser gehen und Hanteltraining – und dann nach fünf Stunden Arbeit noch weitere Trainingseinheiten. Am Wochenende dann natürlich noch viel mehr.

Hattest du denn überhaupt ein Privatleben?

Wenig. Man ist einfach platt. Wir haben auch nie Urlaub machen können. Es war wenig Zeit die ganzen Jahre. Mein Trainer hatte mir damals nichts erlaubt. Ich durfte nicht in die Tanzschule gehen, ich durfte noch nicht mal abends zum theoretischen Fahrunterricht gehen. Ich hab das alles so erarbeitet, weil ich abends ja nicht im Training fehlen durfte.

War es denn deine eigene Motivation, das mitzumachen?

Das entwickelt sich. Sport war immer mein Leben. Ich bin schon als Kind immer überall hingerannt: zu jedem Geschäft und in die Schule. Ich konnte nichts langsam machen. Ich hatte immer einen Bewegungsdrang und ich habe immer den Wettkampf gesucht. Schon als kleines Kind habe ich mich mit größeren Jungs gemessen, hab mich gekloppt und habe Wettrennen gemacht. Irgendwie war ich immer so eine kleine Kampfsau.

Und jetzt arbeitest du als Personal Trainerin in deinem eigenen Studio?

Für mich war es immer ein Traum, mal mein eigenes Studio zu haben. Das habe ich dieses Jahr endlich geschafft. Ob es Menschen sind, die ihr Gewicht reduzieren wollen, Golffitness, Kraftaufbau, ich habe auch schon mit 80-jährigen gearbeitet, die wieder auf die Beine kommen wollen. Das Thema Brustkrebs ist mir aber sehr wichtig geworden.

Was gefällt dir hier am Ruhrgebiet?

Ich konnte mir eigentlich nachdem ich aus London kam, gar nicht vorstellen, wieder in die „Kleinprovinz“ Essen zu ziehen. Aber man fühlt sich einfach sofort wieder zuhause. Ich fühle mich hier sehr wohl. Wir haben so viele Wälder und den Baldeneysee. Der hat mir in England sehr gefehlt. Wir haben hier eigentlich alles. Wir wohnen fußläufig zur RÜ und gehen dort am Wochenende gerne hin. Du kannst mit den Rädern kilometerweise durch die Wälder fahren.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann?

Ich wäre Asterix! Er stellt sich jeder Herausforderung, ist sehr innovativ, zielstrebig und gutmütig.

Das Interview führten wir im Juni 2017.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.