Moritz Bäckerling aus Dortmund

Vor der Kamera vergesse ich alles und fühle mich frei.

Hallo Moritz, stell dich bitte kurz vor!

Ich bin Moritz Bäckerling, 19 Jahre alt, bin in Unna geboren und wohne gemeinsam mit meiner Mutter in Dortmund. Seit 2014 stehe ich vor der Kamera und würde die Schauspielerei gerne ganz zu meinem Beruf machen.

Wo hast du schon mitgespielt?

Zum Beispiel bei „Unter uns“, bei den beiden ZDF-Serien „Heldt“ und „Bettys Diagnose“, im Kinofilm „Schatz, nimm du sie!“ und im RTL-Film „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“. Zuletzt habe ich in einem Kino-Remake der Kultfilme „Immenhof“ mitgespielt. Als ich die Rolle bekommen habe, habe ich mich sehr gefreut! Nun bin ich gespannt, was als nächstes kommt.

Welche war deine erste Rolle?

Mein erstes richtiges Engagement war bei der Jugenddokumentation „Durch die Wildnis“ im KiKa. Für die Show wurden wir auf Teneriffa in einem Survival Camp ausgesetzt. Davor hatte ich in der ZDF-Talkshow „Let’s talk. Weil Meinung zählt!“ eine kleine Sprechrolle in einem Einspieler. Später habe ich die Show auch moderiert.

Wann wusstest du, dass du Schauspieler werden willst?

Ich habe schon als Kind gemodelt und damals bei Werbedrehs gemerkt: Bewegtbild ist mein Ding. Einmal habe mit jemandem zusammen geshootet, die in einer Schauspielagentur war. Da habe ich mich dann auch beworben und wurde aufgenommen.

Wie wurdest du Kindermodel?

Meine Mutter hat als Modell gearbeitet und hat mich mal mit zum Set genommen, als ich noch klein war. Ich fand das einfach toll! Sie schrie vor der Kamera herum und zog alle möglichen Grimassen, das sah nach irre viel Spaß aus. Ich dachte mir: Das ist Arbeit, aber nicht im klassischen Sinne. Von da an lag ich meiner Mutter in den Ohren, dass ich das auch machen will. Aber sie wollte warten, bis ich zumindest ein bisschen älter bin. Als ich zehn war, hat sie es dann erlaubt, aber ich wurde von den Agenturen abgelehnt, weil ich aus deren Sicht zu dick war. Mit zwölf habe ich es noch mal versucht und es hat geklappt. Ab dann habe ich ungefähr einen Auftrag pro Monat bekommen.

Du hast deinen eigenen Youtube-Kanal. Hattest du dafür Vorbilder?

Mein bester Freund in der Grundschule hat mir den YouTube-Kanal „DieAussenseiter“ gezeigt. Da machen zwei Jungs super bekloppte Sachen, das fand ich total witzig! Jahrelang war das der erfolgreichste deutsche Kanal. Mit Freunden habe ich dann auch Videos für YouTube gemacht. Zuerst haben wir mit Masken gedreht, damit uns in der Schule keiner erkennt, ein Schulkamerad wurde nämlich wegen seines Gaming-Kanals übel gemobbt. Als ich dann irgendwann mal ein Video reingestellt habe, wo man mein Gesicht sah, gab es auch prompt Kommentare in der Schule und ich wurde eine Zeitlang wirklich mies behandelt. Als ich dann das erste Mal im Fernsehen auftrat, wurde das Ganze ernster genommen und die Sprüche hörten langsam auf. Da habe ich gedacht: Jetzt kann ich auch meinen eigenen YouTube-Kanal machen. Ich hatte damals schon eine Spiegelreflex-Kamera und das Ganze war von Anfang an recht professionell.

Wussten deine Mitschüler auch, dass du modelst?

Ja, als ich damit anfing, wurde ich als Schwuchtel und als Mädchen bezeichnet. Modeln wurde von vielen nur mit „Germany’s Next Top Model“ assoziiert. Da war ich schnell mit ganz vielen Klischees behaftet und wurde in Schubladen gesteckt. So von zwölf bis 14 war ich sehr einsam. Aber im Nachhinein bin ich sogar dankbar um diese Zeit. Ich habe gelernt, damit umzugehen und mir ein dickes Fell zugelegt, damit ich das machen kann, worauf ich Bock habe! Damals habe ich verstanden, dass du für dich selbst lebst und nicht für andere.

Wie haben deine Mitschüler darauf reagiert?

Sie haben irgendwann gemerkt, dass ich mich nicht zum Opfer machen lasse. Als es dann richtig lief mit meinen Jobs, hatten viele plötzlich richtig Respekt und manche haben sich im Nachhinein sogar entschuldigt. Ich bin mit dieser Zeit heute komplett im Reinen.

Du willst die Schauspielerei also ganz zu deinem Beruf machen. Wo stehst du jetzt?

Ich habe letztes Jahr mein Abitur gemacht, parallel lief das Casting zu „Immenhof“. Ich habe mir vorgenommen: Wenn das mit der Hauptrolle klappt, will ich das nutzen, um richtig ins Business einzusteigen. Jetzt, wo ich nicht mehr zur Schule muss, merke ich, wie sehr ich diese Arbeit mag. Eigentlich wollte ich studieren, aber ich bekomme in meinem Freundeskreis mit, dass viele an der Uni nicht glücklich sind und ihr Studium abbrechen. Falls es mir mit der Schauspielerei irgendwann zu unsicher wird, könnte ich mir gut vorstellen, in Richtung Marketing zu gehen. Das würde mit der YouTube- und Filmbranche gut passen.

Dein YouTube-Kanal „Abgedreht TV“ hat inzwischen mehr als 105.000 Abonnenten. Was zeigst du da?

Den Kanal nutze ich, um mich auszuprobieren. Ich mache Musikvideos, Comedy, Rap, Improvisationen – eine ganz bunte Mischung und alles mit persönlicher Note. Das ist noch mal was ganz anderes, als am Set zu stehen und einen Text zu sprechen, den sich jemand anders ausgedacht hat.

Hast du Vorbilder?

Ich habe letztes Jahr die Serie „Beat“ mit Jannis Niewöhner und Kostja Ullmann gesehen. Die Wandelbarkeit dieser beiden Menschen fand ich krass! Beide sind smarte Typen, die man sich optisch gut als junge Familienväter mit Haus und Hund vorstellen kann. In der Serie spielen sie aber abgefuckte Charaktere – und das so gut und glaubwürdig, dass mich das sehr beeindruckt hat.

Mit wem würdest du gerne mal arbeiten?

Mit Matthias Schweighöfer, weil ich ihn sehr sympathisch und lustig finde. Ich glaube, dass mit ihm am Set eine gute Atmosphäre herrscht.

Was macht dich glücklich?

Wenn ich loslassen kann und an gar nichts denke. Das passiert zum Beispiel, wenn ich mich mit Freunden über bescheuerte Dinge halb totlache. Wenn ich das dann realisiere, ist das richtig schön. Aber glücklich bin ich auch, wenn ich vor der Kamera stehe. Dann vergesse ich alles und fühle mich frei.

Wie kamst du an die Hauptrolle für „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“?

Über ein klassisches Casting. Das fängt so an, dass du eine Anfrage bekommst – direkt oder über deine Agentur. Wenn die Rolle für dich passt, bekommst du eine Figurenbeschreibung, eine Synopsis, worum es in dem Film geht und einen Textauszug. Ich beschäftige mich dann vorher mit der Figur: Es ist ja zum Beispiel ein Unterschied, ob dein Charakter gerade aus dem Knast kommt oder noch nie über eine rote Ampel gegangen ist. Dann folgt heutzutage meistens ein E-Casting: Man inszeniert sich selbst, interpretiert die Szene und macht ein Video davon. Ich mache das immer zusammen mit meinem besten Freund.

Weißt du, wie viele Leute sich um so eine Rolle bewerben?

Durch E-Castings kann viel breiter gecastet werden und es ist weniger Aufwand für alle. Ich war bei einem Casting dabei, wo 20.000 Personen gecastet wurden. Da war es schon krass, dass ich es überhaupt in die engere Auswahl geschafft habe. Bei der Rolle für „Immenhof“ wurden über 1.000 Leute für meine Rolle gecastet. Manchmal haben Filmemacher natürlich auch eine bestimmte Person im Visier, die sie direkt ansprechen und dann wird gleich der Vertrag gemacht.

Wie fühlst du dich nach einem Casting?

Wenn ich mich beim Spielen wohl gefühlt habe, freue ich mich danach. Ich gehe aber immer mit dem Mindset raus, dass es nichts wird. Nicht, weil ich negativ bin, sondern, um mich selbst zu schützen. Es geht schnell an die Substanz, wenn du jedes Mal denkst, du seist schlecht, wenn du eine Absage bekommst. Der Schluss wäre auch falsch, denn manchmal sind es ganz banale Gründe: Einmal habe ich eine Hauptrolle nicht bekommen, weil meine Haarfarbe und Augenfarbe nicht zu denen der anderen Schauspieler passten, mit denen ich eine Familie spielen sollte. Mir ist aber vor allem wichtig, dass ich mit mir selbst zufrieden bin. Ich bin ein Perfektionist und erwarte viel von mir selbst, entsprechend hoch ist dann manchmal der Druck, wenn ich unbedingt eine gute Leistung bringen will.

Musstest du für „Immenhof“ reiten lernen?

Ich hatte schon vorher mal für ein Casting Reitstunden genommen und konnte das Pferd danach ganz gut kontrollieren. Insofern waren Pferde kein komplettes Neuland für mich, das hat geholfen. Selbst reiten musste ich für den Film aber nicht.

Welches Film- oder Fernsehformat ist heute ein Sprungbrett?

Tatort ist immer gut, ansonsten Netflix und Amazon und natürlich Kinofilme.

Hast du schon mal überlegt, für deine Karriere nach Köln zu ziehen?

Natürlich geht in NRW in Köln am meisten, was Film und Fernsehen angeht. Doch mich zieht nichts aus Dortmund weg. Ich habe Familie, Freunde, eben meine ganze Base hier. Mit Auto und Zug bin ich ja ganz schnell in Köln.

Was magst du am Ruhrgebiet?

Ich finde das Ruhrgebiet sehr vielfältig, durch die vielen verschiedenen Städte und umgenutzten Industriegebiete. Ich fahre dort gerne Fahrrad und Longboard, zum Beispiel auf dem Phönix-West Gelände in Dortmund. Diese Locations sind auch super für Instagram-Bilder.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du?

Bart Simpson, denn ich bin lebenslustig und war in der Schule immer weniger auf den Unterricht fokussiert als auf die Pausen. Und ich habe immer gerne und viel geredet! Als Bart hätte ich auf die Tafel schreiben müssen: „Ich soll nicht so viel mit Lehrern rumdiskutieren“.

Das Interview führten wir im Januar 2019.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.