Sven Janus aus Gelsenkirchen
„Ich war mein Leben lang sportfaul und betreibe jetzt mehrere Fitnessstudios.“
Hallo Sven. Stell dich bitte kurz vor.
Mein Name ist Sven Janus, ich bin 43 Jahre alt, bin in Gelsenkirchen geboren und wohne dort immer noch. Ich betreibe die EMS Personal Trainingsstudios. Und ich bin 100 Prozent Schalker – Schalkemitglied – das volle Programm. Ich geh nur nicht gern ins Stadion, sondern gucke lieber von zu Hause aus.
Was heißt EMS?
EMS kommt eigentlich aus der Medizin. Sportler oder Fußballspieler bekommen TENS-Geräte zum Beispiel ans Knie, um dort gezielt Muskeln wiederaufzubauen. Mittlerweile gibt es das seit etwa zehn Jahren als Ganzkörpertraining. Das Gerät ist quasi ein Anzug mit Arm- und Beinelektroden, den der Trainierende anzieht. Das Ganzkörpertraining erfolgt dann über elektrische Impulse. Zum Beispiel wird der Bizeps künstlich durch einen elektrischen Impuls angespannt und eine Bewegung wird dadurch simuliert.
Also muss man bei diesem Training nur rumstehen?
Nicht ganz. Es gibt ein paar Grundübungen, die dazu dienen, dass man andere Muskelgruppen noch mittrainiert und im Stand sicherer wird. Und das Ganze macht man dann 20 Minuten in der Woche. Öfter darf man das nicht machen, weil es für den Körper sehr, sehr anstrengend ist. Aber auch sehr gelenkschonend, da man keine zusätzlichen Gewichte benötigt. Die Übungen sind ziemlich einfach. Das kann jeder machen. Unser jüngster Kunde ist 18, der älteste 88. Kinderleichte Übungen.
Hat man danach Muskelkater?
Und wie! Wir selbst achten immer darauf, dass sich die Kunden zu Beginn erstmal an das Gerät gewöhnen. Wir sind TÜV-zertifiziert und haben den Vorsatz „Safety first“. Wir gehen da ganz langsam ran, weil es auch gefährlich sein kann, wenn man das Gerät falsch benutzt. Muskelkater heißt nicht immer Erfolg. Da passieren ganz komische Sachen im Körper. Daher legen wir Wert darauf, dass der Muskelkater zu Beginn des Trainings erstmal nicht so stark ist und sich mit der Zeit langsam steigert. Durch das EMS Training werden Muskelgruppen angesprochen, die man im Alltag nicht so häufig benutzt. Beim Mann ist das normalerweise der Gesäßmuskel. Nach unserem Training hat er dort den stärksten Muskelkater.
Wieso hast du dich selbstständig gemacht?
Vorher war ich ein Franchise-Nehmer einer ähnlichen Marke. Meine Frau hat damals das EMS Training in Essen-Rüttenscheid ausprobiert und meinte, dass das auch was für mich sei. Ich habe das Training dann auch ausprobiert, weil ich immer sportfaul und Kettenraucher war – okay, Letzteres bin ich auch heute noch. Ich fand das dann so gut, dass ich eine eigene Marke rausbringen wollte. Dann haben wir mit dem ersten Laden in Dortmund angefangen – das darf ich als Schalker hier eigentlich gar nicht sagen. Danach haben wir in Essen-Rüttenscheid einen weiteren aufgemacht und haben mittlerweile 42 Läden. Unsere Firma heißt Terra Sports.
Was hast du ursprünglich gelernt?
Ich wollte mit 16 Jahren eigentlich Elektriker werden. Das war halt so. Papa war bei Siemens und hat mir dann über Vitamin B ein Einstellungsgespräch mit Test verschafft. Dabei habe ich gemerkt, dass ich farbenblind bin. Dann habe ich mich für einen anderen Beruf entschieden und meine Ausbildung und mein Studium beim Finanzamt in Bielefeld gemacht. Mit 29 wurde mir klar, dass Finanzamt und ich doch nicht ganz so gut zusammenpassen. Da war ich schon ein ziemlich bunter Vogel. Ich habe dort gekündigt, obwohl ich Beamter auf Lebenszeit war. Meine Eltern haben gefragt, ob das mein Ernst sei. Aber ich war der Finanzbeamte, der in kurzer Hose zum Dienst erschienen ist. Mein Chef sagte mir „Das geht so nicht“ und ich hab gefragt „Wo steht das?“. Also ich meinen Hund mit zur Arbeit brachte – Chef: „Das geht nicht!“ und ich „Wo steht das?“ Ich war immer ein bisschen der Querulant. Und als ich meinem Chef dann sagte, dass ich vorhabe, zu kündigen, war seine Reaktion: „Hömma. Ich mach ’nen Haken dahinter, du machst ’nen Haken dahinter. Du kommst ab morgen nicht mehr und gut is.“ Die Ablösesumme, die ich hätte zahlen müssen, um früher aus dem Vertrag zu kommen, ist unter den Tisch gefallen.
Danach habe ich zehn Jahre lang Diskotheken betrieben, bis mir auch das nicht mehr gefallen hat. Das waren der Elephant Club in Bielefeld, die Nachtresidenz in Düsseldorf und das Nightrooms in Dortmund. Das war eine Diskotheken-Gruppe.
Und nun bauen wir unser Filialsystem weiter aus, mit dem Ziel, mindestens 100 Läden zu betreiben.
Mit wem arbeitest du zusammen?
Ich betreibe das Unternehmen zusammen mit Siegbert und Sven Wortmann aus Hüllhorst zusammen. Die produzieren eigentlich Computer und deren Firma ist Europas größter unabhängiger Computerhersteller.
Witzig, dass jemand, der sich selbst als sportfaul bezeichnet, eine Fitnessfirma gegründet hat.
Dadurch bin ich selbst mehr zum Sport gekommen. Ich gehe laufen, habe meine Ernährung umgestellt. Man muss ja in einer kommerziellen, oberflächlichen Gesellschaft so eine Firma repräsentieren können. Und das kann man nur glaubhaft tun, wenn man nicht selbst mit ner dicken Pocke rumläuft. Ich wog vorher selbst an die 100 Kilo und bin jetzt bei etwas über 80 Kilo angekommen. Das war so meine Einstiegsdroge.
Ich habe durch unser Training abgenommen. Durch Körper- und Krafttraining und natürlich durch die Umstellung der Ernährung. Da man bei uns immer einen Personal Trainer dabei hat, der dich einmal im Monat vermisst, hat man seine Maße immer schwarz auf weiß. Da schämt man sich, wenn das Training nichts gebracht hat. Es geht nicht nur um Gewichtsverlust – Fett in Muskeln umzuwandeln und damit den Stoffwechsel zu erhöhen, ist uns wichtig.
Habt ihr eine bestimmte Zielgruppe?
Nein. Zu uns kommen Menschen mit Rückenproblemen, Bandscheibenvorfällen, Frauen, die gerade ein Kind bekommen haben und Rückbildung machen wollen. Wir haben einen sehr gemischten Kundenkreis. Wie gesagt – im Alter von 18 bis 88.
Nehmt ihr eine Monatsgebühr?
Wir nehmen eine Wochengebühr von 19,90 Euro. Wir vergleichen uns preislich nicht mit den großen Fitness-Studio-Ketten, sondern mit Personal Trainern. Und für einen Personal Trainer ist man normalerweise so mit 80 bis 90 Euro die Stunde dabei. Bei uns ist immer ein Personal Trainer am Start. Und wir leben auch nicht von den Kunden, die nicht kommen, sondern von denen, die gute Ergebnisse haben und uns weiterempfehlen. Wenn bei uns ein Kunde nicht zum Training erscheint, dann rufen wir den auch an und fragen nach. Also genau umgekehrt wie beim herkömmlichen Fitnessstudio.
Hast du Kinder?
Nein. Oder doch. 150 – meine Azubis, Azubinen und Studenten. Bei uns kann man die IHK-Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann machen oder auch ein duales Studium zum Bachelor Sport- oder Fitnessökonomie oder Gesundheitsmanagement. Das duale Studium läuft über die deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheit. Das ist ein sehr angesehener Studiengang.
Um Nachwuchskräfte sind wir sehr bemüht. Nicht, um billige Arbeitskräfte zu haben, sondern, um weiter zu planen. Dieses Jahr werden die ersten 15 fertig, also habe ich 15 potenzielle Filialleiter, mit denen ich neue Läden eröffnen kann. Wir wollen aus eigenem Bestand wachsen. Siegbert Wortmann hat in seiner Computerfirma auch eine Quote von 20 Prozent an Mitarbeitern, die sich in der Ausbildung befinden. Die Mitarbeiter so mit dem Unternehmen vertraut zu machen, ist unser Ziel.
Arbeitest du gern selbstständig?
An sich ja. Ich arbeite nur nicht sehr strukturiert. Ich habe immer Leute, die hinter mir aufräumen. Wir haben ein gutes Backoffice. Ich bin mehr derjenige, der nach außen hin auftritt, aber hinter mir müssen immer alle für Ordnung sorgen. Das ist nicht immer einfach, aber zumindest mit meinen Unterlagen bin ich Hunderprozent sorgfältig.
Ich kann dafür aber auch schlecht böse sein, wenn ein Azubi dreimal nicht in der Berufsschule war. Andere rufen dann schon nach einer Abmahnung, aber ich kann mich gut in die Azubis reinversetzen und lass das eher mal laufen.
Gestern hab ich einen unserer Azubis aus dem Knast abgeholt. Der war bei der Bundeswehr und macht jetzt bei uns die Ausbildung. Er wurde wegen Fahrens ohne Führerschein und inkorrekter Ummeldung zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt. 40 Tagessätze zu 50 Euro. Er wurde gestern bei uns im Laden verhaftet. Alle anderen haben gesagt, dass er da selbst durch muss. Aber wir haben ihn ausgelöst und ich hoffe, dass ihn das zum Umdenken bewegt.
Ich kann alles in meinem Umfeld ertragen, außer Lügen und Betrügen. Das mag ich nicht! Wenn mich jemand anlügt, hat er bei mir verschissen – auf Lebenszeit. Jeder Azubi kann mit seinen Problemen zu mir kommen. Wenn er Liebeskummer hat, kann er gern zu Hause bleiben und ich lass den Laden zu. Aber wenn er lügt und ich erwisch ihn, dann ist es vorbei. Da gibt’s auch keine zweite Chance. Da bin ich mir ganz treu.
Lebst du gern im Ruhrgebiet?
Ich könnte theoretisch überall arbeiten und hätte auch überall so eine Kette aufziehen können. Aber ich häng einfach sehr am Ruhrgebiet.
Ich habe zehn Jahre in Bielefeld gewohnt, aber da bin ich mit den Leuten nicht so klargekommen. Die Ostwestfalen sind mir irgendwie zu stur und die haben auch meinen Humor nicht verstanden.
Ich bewege mich zu 90 Prozent in einer Jogginghose, egal wo ich bin – ob ich zur IHK gehe oder zur Bank – ich werde mich da auch nie anpassen. Ich geh auch in Pantoffeln in den Supermarkt zum Einkaufen.
Am besten gefallen mir am Ruhrgebiet die offene Menschen, die unterschiedlichen Charaktere und die kurzen Wege und die Nähe allgemein.
Was magst du nicht? Oder was stört dich?
Schade finde ich, dass sich nicht ordentlich um die Umwelt gekümmert wird. Ich wohne direkt an der Bundesgartenschau. Da wurde Sonntag wieder wild gegrillt, was auch ok ist, aber dass da alles liegen gelassen wird, geht überhaupt nicht. Dafür, dass die Menschen hier so offen sind, gehen die schlecht mit ihrer Umwelt um. Diese Vermüllung geht einfach nicht! Wenn ich mit dem Hund gehe, nehme ich meinen Müll auch wieder mit.
Wir haben schöne Grünanlagen, aber darum muss sich auch jeder ein bisschen selbst kümmern. Warum muss ein 60-jähriger Gärtner den Müll von 20-jährigen Kröten aufheben?
Reist du gerne?
Ja. Ich bin aber eher ein Gewohnheitstier. Wir haben eine kleine Wohnung auf Mallorca. Da fahren wir häufig hin, aber ich freu mich auch immer, wenn ich zurück ins Ruhrgebiet komme.
Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann und warum?
Ich bin eigentlich immer hilfsbereit. Ich kann nicht „nein“ sagen und habe ein Helfersyndrom. Welche Comic-Figur gibt’s da? Vielleicht Batman oder Papa Schlumpf.
Das Interview führten wir im Oktober 2018.
Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.