Sebastian Peter aus Essen
„Ein guter Kaffee braucht keine Milch und keinen Zucker.“
Hallo Sebastian. Stell dich doch kurz vor.
Mein Name ist Sebastian Peter. Ich bin 27 Jahre alt und Geschäftsführer der Rösterei Kaffee-Peter. Gleichzeitig führt meine Familie das Unternehmen Bäcker Peter bereits in der vierten Generation.
Was hast du nach der Schule beruflich gemacht?
Nach dem Abitur auf dem Goethe-Gymnasium habe ich Zivildienst bei der Methadonambulanz in Essen geleistet. Das war ja damals noch Pflicht. Da ich selber kein Methadon ausgeben durfte, habe ich mich in dem angeschlossenen Café mit den Suchtkranken beschäftigt. Da gab es täglich Frühstück von der Essener Tafel. Der Tagesanfang war immer Katastrophe, bis alle ihr Methadon bekommen haben.
Nach meinem Bachelor in BWL an der Uni Essen, bin ich für neun Monate um die Welt gereist.
Wie hast du deine Weltreise finanziert?
Ich habe viel während des Studiums gearbeitet und das Geld gespart. Damit habe ich den größten Teil finanzieren können und den fehlenden Rest haben mir meine Eltern geliehen.
Welche Länder hast du bereist?
Ich war auf jedem Kontinent außer der Antarktis. In Südafrika habe ich begonnen, erst Johannisburg und dann runter nach Kapstadt. In beiden Städten habe ich an geführten Touren durch die Homelands teilgenommen. In Port Elizabeth war ich auch. Da habe ich so einen Typ kennengelernt, der Gott und die Welt kannte. Der hat mich mit in eine Bar genommen, in der viele ehemalige Gastarbeiter von Audi waren, die deutsch gesprochen haben – echt skurril.
Ich war immer alleine unterwegs. Wenn man alleine ist und auch Lust hat, Leute zu treffen, dann findet man immer schnell Anschluss.
Danach bin ich in den Oman gereist. Von dort aus nach Sri Lanka, Indien und Thailand, Kambodscha, Malaysia, Australien, Neuseeland, die Cook-Inseln, nach Hawaii rüber und von Hawaii nach Peru und Ecuador. Von Quito dann wieder zurück.
Welches Land hat dir am besten gefallen?
Indien hat mich als Land am meisten fasziniert. Am meisten Glück was das Kennenlernen von Leuten betrifft, hatte ich auf Hawaii. Ich habe ja immer gecouchsurft und da hab ich halt echt coole Leute kennengelernt.
Was genau ist „Couchsurfen“?
Das Couchsurfen läuft über Internet ab. Ich habe mir ein Profil als Gast erstellt und dann Leute angeschrieben und gehofft, dass sie Zeit für mich haben. Das ist kostenlos und dient dem kulturellen Austausch. Ich halte zu vielen auch den Kontakt und wenn die mal hier sind, dann lasse ich sie auch bei mir übernachten. Man kann sich die Referenzen von anderen Couchsurfern anschauen und deren Bewertungen von Hosts und dann findet man eigentlich überall was zum Übernachten. Das ist ein echt cooles Modell. Ich bin da nach wie vor ein großer Fan von.
Seit wann bist du wieder in Deutschland?
Seit Mai 2014 bin ich wieder in Deutschland. Ich wollte eigentlich gar nicht weiter studieren, sondern arbeiten. Und das habe ich dann auch bei uns in der Bäckerei Peter gemacht. Dann habe ich mich doch dazu entschieden, meinen Master in Witten-Herdecke zu machen. Dort wurde damals ein Masterprogramm „Family Business Management“ angeboten – bestehend aus Soziologie, Psychologie, Philosophie – letztendlich darauf ausgelegt, ein Unternehmen zu leiten. Ich bin seit gestern offiziell fertig.
Wie bist du auf die Idee mit der Kaffeerösterei gekommen? Auf deiner Reise?
Ja und nein. Kaffee war immer schon ein Faible von mir. Zu Beginn des Masterstudiums ging es um um Selbstreflektion. „Was machst du eigentlich gerade?“ „Wo kommst du her?“ „Wo willst du hin?“ Ich habe mich damit beschäftigt, was man mit einer Bäckerei in der Zukunft noch machen kann. „Geht da noch mehr?“ „Ist das noch etwas, wo die Leute Wert drauf legen oder eben nicht?“ Und nach Gesprächen mit meinen Brüdern, meiner Schwestern und Freunden habe ich für mich beschlossen, dass das Thema Bäckerei eher in Richtung Wohlfühloase und Ruhepol gehen sollte als in Richtung „Zwei Brötchen bitte und weg“. Das wird es zwar immer noch geben, aber es wird weniger, glaube ich. Und dann war da die Idee: Café? Na klar: Kaffee! Das passt doch zu einer guten Bäckerei.
Während der Planung habe ich festgestellt, dass wenn ich Kaffee verkaufen will, ich mehr über Kaffee wissen muss. Letztes Jahr im Februar bin ich mit meinem Vater zusammen nach Nicaragua geflogen, damit wir uns selbst mal die Plantagen angucken und mit den Leuten sprechen konnten. Und dann war eigentlich klar, dass wir das selber machen müssen. Wenn man sagt, man macht gute Backwaren, dann muss man auch in der Lage sein, guten Kaffee dazu anzubieten! Wir haben dann innerhalb der Familie gefragt „Wer möchte das machen? Wer hat da Spaß dran?“ und jetzt sitz ich hier und bin Geschäftsführer von Kaffee-Peter.
Und den Kaffee bezieht ihr direkt aus Nicaragua?
Wir machen das mit dem Kaffee jetzt schon seit drei Jahren. Die Idee war damals schon, dass wir den Kaffee direkt vom Ursprungsland beziehen und die Leute vor Ort kennen wollen. Wir wollen wissen, wie der Kaffee dort angebaut wird und was es an Mühe, Zeit und Aufwand kostet, bis der Kaffee hier ist.
Wir finanzieren den Kaffee auch vor. Kaffee kann einmal im Jahr geerntet werden – in Nicaragua von Dezember bis Ende Februar. Wenn die Erntezeit beginnt, ist bei den Familien meist das Geld knapp, weil diese nur die jährliche Einnahme aus dem Vorjahresverkauf haben. Um die Ernte finanzieren zu können, müssen viele Familien ihr Hab und Gut verpfänden. Daher haben wir vereinbart zwei Mal im Jahr zu zahlen – 50 Prozent Vorfinanzierung der kommenden Ernte und die weiteren 50 Prozent, wenn wir die Frachtpapiere für den Container mit der Ware haben. So haben die Leute vor Ort keine Liquiditätsprobleme mehr.
Dadurch dass wir das seit mittlerweile drei Jahren machen, ist ein freundschaftliches Vertrauensverhältnis gewachsen. Man spricht regelmäßig miteinander.
Wie ist die politische Situation derzeit in Nicaragua?
Früher gab es eine Diktatur bis in die späten 80-er/frühen 90-er. Jetzt gibt es einen gewählten Präsidenten, der seit seiner Wahl im Amt ist. Es wurde quasi eingetauscht in eine Präsidialdiktatur. Es gibt keine Opposition. Der Präsident wird mit seiner Ehefrau gewählt – die Frau führt die Geschäfte und er hält sein Gesicht dafür her.
Regionen, die den gewählten Präsidenten nicht unterstützt haben, sind weitaus schlechter ausgebaut, als andere. Die Straßen sind nicht gepflastert und es gibt nur unregelmäßig Strom. Das Gebiet, aus dem wir den Kaffee beziehen, gehört dazu und ist dementsprechend infrastrukturell nicht gut ausgebaut. Deswegen engagieren wir uns dort auch zusätzlich sozial. Wir haben organisiert, dass vom Klinikum gespendete Betten und Ausrüstung an das dortige Krankenhaus geliefert wurden. Wir bezahlen eine Krankenschwester, die dort ganzjährig in der von uns gebauten Krankenstation arbeitet. Am Tag hat sie zwischen 300 und 400 Patienten und macht das ganz alleine.
Ist der Kaffee ein Bio-Kaffee?
Wir lassen uns nicht zertifizieren, weil wir an die Zertifizierung dort nicht glauben. Da gehen die Meinungen auseinander. In Lateinamerika ist es so, dass es zu der Zeit, als wir begonnen haben, ein Büro in Costa Rica mit zwei Mitarbeitern gab. Es war so, dass man einmal im Jahr seine 2.000 bis 3.000 Dollar für die Fair Trade oder Bio-Zertifizierung gezahlt hat und dann hat man das Siegel bekommen. Es hat aber nie jemand auf den Kaffee geschaut.
Bio ist auch bei Kaffee schwierig – das Biosiegel beurteilt nur den Anbauzeitraum, also nur was in einem Jahresintervall mit der Pflanze passiert, während der Kaffee wächst. Tritt aber ein Fall auf, der die Ernte gefährdet, dürfen trotzdem Pestizide und Fungizide eingesetzt werden. Und es darf auch immer ein Mindestmaß an chemischen oder biologischen Keulen verwendet werden. Kaffee trägt erst nach drei bis vier Jahren Früchte. Nur dieser Zeitraum wird beobachtet und zertifiziert – nicht jedoch, wie die Pflanze vorher aufgezogen wurde.
Und Fair Trade und Bio-Zertifikate sagen nichts über die Qualität des Kaffees aus und sagen auch nichts darüber aus, ob der Erzeuger fair behandelt oder bezahlt worden ist. Das Fair Trade Siegel bekommt man ab einem Kilopreis von 1,30 Dollar und ein Bio-Siegel ab einem Kilopreis von 1,70 Dollar – beides keine Preise, von denen ein Kaffeebauer leben kann. Wir zahlen Preise, die über 5 Dollar pro Kilo liegen.
Am meisten hat für mich gegen die Zertifizierung gesprochen, dass da irgendwo ein Büro ist, die Hand aufgehalten wird, aber nie jemand in Erscheinung tritt.
Um ein gutes Gewissen für diesen Kaffee zu haben, brauche ich kein Siegel. Wenn jemand Fragen hat, kann ich meistens mit unserer Geschichte und viel Transparenz überzeugen, dass es ein guter Kaffee ist.
Wo kann man den Kaffee kaufen?
Bei Bäcker Peter, im KaBü in Essen-Rüttenscheid und im Onlineshop.
Was frühstückst du?
Ein Brötchen, O-Saft und Kaffee.
Ist das Brötchen immer von Bäcker Peter?
Ja.
Gehst du gar nicht zu anderen?
Nein. Ich geh ab und zu mal rein, aber kaufe nie was. Ich gucke mir immer nur an, was die so für Produkte im Angebot haben.
Wie trinkst du deinen Kaffee?
Schwarz. Immer. Filterkaffee, Espresso, ab und zu mal einen Cappuccino – einfach, weil man da anders rösten muss, wenn man Cappuccino machen möchte. Aber immer schwarz, wenn es um Filterkaffee geht. Ein guter Kaffee braucht keine Milch und keinen Zucker.
Aber da Kaffee eine Gewohnheitssache ist, geht es mir nicht darum, Gewohnheiten zu ändern. Das kann man sofort vergessen. Mir geht es auch nicht darum missionarisch unterwegs zu sein und andere Leute dafür zu verurteilen, wenn sie bei einem Discounter ihren Kaffee kaufen. Ist natürlich scheiße – ja, aber ich stell mich da jetzt nicht hin und sag „Das ist aber jetzt nicht gut, was ihr da macht.“. Kaffee ist so ein Gewohnheitsding, das ist so integriert in den Alltag, wenn man da anfängt mit den Leuten zu diskutieren, da kann man nur verlieren.
Wenn du dich mit ein, zwei Sätzen beschreiben müsstest, wie würdest du das tun?
Mir wird oft gesagt, dass ich manchmal ungeduldig wirke. Ich bringe Sachen gerne schnell auf den Punkt. Was aber nicht heißt, dass ich mir nicht auch Zeit nehmen kann. Also wenn ich etwas gerne mache und darin aufgehe, habe ich auch kein Problem, Stunden und Tage damit zu verbringen. Also festbeißen an irgendeiner Sache kann ich mich dann schon. Und ansonsten hat das auch viel mit Wandlung zu tun – ich stelle mich auf die Leute ein, die um mich herum sind.
Was gefällt dir am Ruhrgebiet? Warum wohnst du hier und nicht woanders?
Ich wohne hier, weil ich hier herkomme. Es ist am einfachsten, das so zu beschreiben. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Die Familie ist hier, die Freunde sind hier, auch wenn viele mal weg sind, die meisten kommen ja doch irgendwann mal wieder. Ich fühle mich hier wohl. Die Leute sind toll. Die offene Art, die herzliche Art, die auch ein bisschen rau ist, aber doch immer wieder gut ankommt. Ich habe nie darüber nachgedacht, woanders hinzuziehen – das war nie eine Option.
Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Comicfigur wärst du dann und warum?
Als ich klein war, fand ich Iron Man immer cool – das ganze Technische und das Basteln.
Das Interview führten wir im April 2017.
Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.