Michael Holtschulte aus Herten

„Wenn ich Bullshit höre, geht bei mir der Bullshit-Alarm los.“

Hallo Michael, stell dich doch bitte kurz vor.

Ich bin Michael Holtschulte, komme aus Herten, bin 41 Jahre alt und hauptberuflich Witzbold. Geboren bin ich in Herne und studiert habe ich in Bochum – bin also durch und durch Pottkind. Die ersten Lebensjahre habe ich in Herne-Wanne verbracht und dann sind wir nach Herten umgezogen. Ich habe zwei jüngere Geschwister – ich wollte erst kleinere sagen, aber mein Bruder ist einen Kopf größer als ich. Mein Bruder ist 4 Jahre jünger und meine Schwester 6 Jahre jünger.

Hauptberuflich Witzbold? Was machst du genau?

Ich zeichne Cartoons.

War das schon immer dein Berufswunsch?

Früher wollte ich mal professioneller Basketballer werden. Ich habe eine Zeit lang relativ hochklassig Basketball gespielt, hab dann aber gemerkt, dass ich nicht mehr weiter wachse.

Mit 15 habe ich das erste Mal in einer Tageszeitung gegen Honorar veröffentlicht und zu diesem Zeitpunkt gemerkt, dass es durchaus ein Berufsziel für mich sein könnte, irgendwas in der Richtung mit Zeichnen zu machen. Als dann auch Auftragszeichnungen und Illustrationen dazu kamen, habe ich irgendwann mit dem Sport aufgehört, weil ich Angst vor Verletzungen hatte.

Wurdest du beim Sport mal verletzt?

Ja, ziemlich schwer sogar. Ich kam nach einem Sprung unglücklich auf dem Boden auf und zog mir einen dreifachen Bänderriss inklusive Kapselriss zu. Der Fuß verdrehte sich um 90 Grad. Ich hatte Angst, dass ich mich beim Basketball mal an den Fingern und der Hand verletze und dann nicht mehr zeichnen könnte. Eine Karriere als Profibasketballer endet ja irgendwann – zeichnen kann ich aber sehr viel länger. Also habe ich aufgehört. Und in der gewonnenen Zeit habe ich mir noch das Spielen einiger Instrumente beigebracht. Das war dann auch noch ganz praktisch.

Welche Instrumente spielst du?

Meine Eltern haben uns immer schon stark gefördert. Ich habe schon im Vorschulalter musikalische Früherziehung genossen. Dann hatte ich 13 Jahre lang Klavierunterricht. In der Grundschule war ich in der Blockflöten-AG. Und als ich mit dem Klavierunterricht aufhören durfte (Das war ja irgendwann nicht mehr so cool.), habe ich mir Gitarre spielen beigebracht. Und alles, was mit Saiteninstrumenten zu tun hat, hat mich sehr interessiert. Außerdem habe ich mich ziemlich viel mit Aufnahmetechnik beschäftigt und Schlagzeug programmieren und sowas.

Hat dich irgendwas in deiner Kindheit besonders geprägt?

Ich werde oft gefragt, wie ich auf meine Ideen komme, und warum ich so einen schwarzen Humor habe und so ein Zyniker bin. Ich führe das eindeutig darauf zurück, dass man für diese Art von Humor früher in der Schule gehänselt worden sein muss.

Und das wurdest du?

Ich bin auf der weiterführenden Schule komplett mit Schülern einer anderen Grundschule zusammengewürfelt worden, zu der ich laut Einzugsgebiet damals nicht gehen durfte. Ich war der einzige Junge, der aus meiner Grundschule da war. Wie das halt so ist, kannten die sich alle und waren befreundet. Und ich war dann immer ein bisschen ausgegrenzt. Und der Mensch als Herdentier braucht natürlich immer einen Trottel, über den man sich lustig machen kann. Warum genau, kann ich gar nicht so richtig festmachen. Ich sah immer schon gut aus ;-) und war – ohne Streber zu sein – recht gut in der Schule. Aber ich bin oft fast heulend nach Hause gelaufen. Und Zynismus und Humor wurden irgendwie mein Panzer. Das Hänseln hat sich nach einiger Zeit in der Schule auch gebessert als die Klassen mehr durchmischt wurden. Aber mein gesundes Misstrauen Freundlichkeit gegenüber, hat sich daraus entwickelt. Sowas prägt.

Hast du eine Ausbildung?

Ich habe Grafikdesign studieren wollen, was aber nicht sofort mit der Mappe geklappt hat. Leider habe ich da nur fertige Sachen reingepackt und das ist nicht das, was gefordert war oder gesehen werden wollte. Ich habe zu dem Zeitpunkt dann ein Angebot für eine Anstellung in einer Werbeagentur bekommen und mich dazu entschlossen, gleichzeitig Germanistik, Sozialpsychologie und Politikwissenschaften zu studieren. Das habe ich auch gemacht – sogar mit Abschluss.

Diese Studienfächer haben jetzt aber nicht so viel mit deinem Beruf zu tun …?

Ich wollte ein Bildungspatent haben, um meine Eltern zu beruhigen. Die hätten sich sehr viele Sorgen gemacht, wenn ich von Anfang an gesagt hätte „Ich mach jetzt mit Witzbildern mein Geld!“. Der Abschluss war dann doch sehr praktisch, aber seit ein paar Jahren ist es so, dass ich komplett vom Cartoonzeichnen leben kann und damit zu wenigen Glücklichen in Deutschland zähle.

Du hast vor deiner Selbstständigkeit also in Agenturen gearbeitet?

Ja, zwischendurch dachte ich mal, Werbeagenturen könnten auch was für mich sein, aber mir das ganze Gekokse anzugucken, wurde mir irgendwann zu viel. Nein Quatsch! Ich habe ohne Koks gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ohne Namen zu nennen, habe ich mal in einer Agentur gearbeitet, die unter anderem für Coca Cola Werbung gemacht hat. Das ist ja schon ne große Nummer. Fälschlicherweise habe ich aber damals gedacht, dass das alles viel besser organisiert sei. Wenn man Kampagnen dieser Größenordnung macht, dachte ich, dass da bestimmt Psychologen dabei sind, dass man zusammensitzt und über das Produkt und die Zielgruppe redet, aber alles, was an meinem ersten Tag als Arbeitsanweisung kam, war „Mach, dass das cool aussieht!“. Das hat mich etwas ernüchtert. Ich habe zwar viel für mich mitgenommen, was Photoshop & Co. angeht, aber auf Dauer war das nichts für mich.

Hast du dein Zeichentalent von deinen Eltern geerbt?

Meine Mutter ist selbst Künstlerin und mein Vater ist Diplomingenieur für Chemie. Im Grunde genommen bin ich beruflich die perfekte Mischung aus beidem, was meine Eltern gemacht haben und machen. Meine Mutter hat mir von klein auf alles an künstlerischen Sachen beigebracht, was ich dann relativ früh für mich spezialisiert habe. Was halt auch dazugehört, ist ein Geschäftssinn, und ich glaube, da kommen die Gene von meinem Papa durch.

Was für eine Art Kunst macht deine Mutter?

Sie hat Kunst studiert und eine Galerie in Recklinghausen – traditionell klassische Malerei. Sie stellt auch immer noch fleißig aus. Sie hat mir relativ früh die ganzen traditionellen Techniken vermittelt – nicht so, dass ich das machen musste, aber ich konnte sie immer fragen und habe von ihr alles beigebracht bekommen. Ich habe mich dann im Grunde genommen auf meine Techniken und Arbeitsmittel spezialisiert – es ist ja auch vieles digital jetzt.

Wie kamst du auf die Idee der „Tot, aber lustig“-Cartoons?

Ich erzählte ja schon, dass ich mit 15 das erste Mal für eine Tageszeitung gezeichnet und parallel auch so natürlich immer weiter gezeichnet habe. Auch viele Cartoons, die ich heute nicht mehr vorzeigen würde. Aber gut – das sind Zeitdokumente. Ich muss irgendwie damit leben, dass die Sachen früher weniger lustig und scheiße gezeichnet waren. Ich hatte schon immer einen schwarzen Humor und letztendlich hat der erste Verlag, der ein Buch von mir herausgegeben hat, versucht, einen roten Faden zu finden. Wir sind dann beim Thema „Sensenmann“ und „Tod“ gewesen und dann bei „Tot, aber lustig“ gelandet.

Ich habe dann auch meine eigene Webseite erstellt, und das ist dann irgendwie zum Selbstläufer und zu einer Marke geworden.

Aber es ist nicht so, dass jeder deiner Cartoons mit dem Thema zu tun hat?

Anfangs war alles sehr, sehr schwarzhumorig. Aber seitdem sind ja auch die Veröffentlichungen in der Süddeutschen, im Stern, in der taz und sehr viele politische Sachen hinzugekommen, und ich sehe kein Problem darin, das auf der Webseite, der Facebook-Seite oder bei Instagram zu veröffentlichen. Ich muss mir das Publikum ja auch ein bisschen erziehen. Ich werde ja auch nicht jünger und immer nur 20-Jährige zu bespaßen, wird auch irgendwann langweilig.

Hast du Vorbilder?

Zeichnerisch fand ich immer André Franquin ganz toll, den Erfinder des Marsupilamis. Er hatte Depressionen, was sich auf sein Spätwerk auswirkte und so die Reihe „Schwarze Gedanken“ entstanden ist. Die fand ich immer ganz faszinierend. Er ist leider mittlerweile verstorben.

Ansonsten auch noch ganz viele andere Cartoon-Zeichner. Unglaublich – auch heute immer noch – ist, dass das damals Vorbilder für mich waren und wir heutzutage befreundet sind und uns regelmäßig treffen.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Ich habe ja das Glück, dass ich zu Hause arbeiten kann und dort mein großes Arbeitszimmer im Haus habe. Morgens (Ja, manchmal stehe ich auch früh auf!) muss ich nur in die Joggingbuchse springen, ins Arbeitszimmer torkeln, Kaffee trinken und kann dann sofort anfangen zu arbeiten.

Wie lange arbeitest du dann immer so?

Ende offen. Wenn ich an einem Projekt arbeite, das fertig werden muss, kann das auch mal die ganze Nacht bis in den nächsten Morgen dauern. Dafür arbeite ich an anderen Tagen dann weniger.

Bist du froh, alleine zu arbeiten? Oder vermisst du nicht manchmal, dass jemand mit dir im Büro sitzt?

Eigentlich sitze ich ganz gerne alleine im Büro. Manchmal arbeitet meine Freundin auch bei mir, die stört auch nicht. Außerdem habe ich auch immer meine beiden Katzen dabei, die ab und zu mal Aufmerksamkeit brauchen oder unseren kleinen Hund.

Was war der seltsamste oder komischste Auftrag, den du je bekommen hast?

Seltsam finde ich Anfragen wie Portrait-Zeichnungen. Das zeigt einfach, dass die Leute sich nicht richtig mit dem, was ich mache, auseinandergesetzt haben. Klar kann ich das – befindet sich aber außerhalb meiner Komfortzone und dauert dementsprechend lange. Das können andere viel besser.

Ich finde es besonders nervig-komisch, wenn viele Leute sich zu Bild-Ideen zusammensetzen und dann so eine Art Wimmelbild entsteht, das nie wirklich fertig und somit eigentlich unbezahlbar ist. Das finde ich ganz schlimm.

Gibt es etwas, das du am liebsten zeichnest?

Cartoons.

Was hast du für berufliche Ziele?

Ich lebe meinen Traum und mache genau das, was ich immer machen wollte. Ich bin mit den Zeitungen und Magazinen, die meine Arbeiten veröffentlichen, sehr zufrieden. Ich werde sogar manchmal als Zeichner, der ja eigentlich immer in seinem Arbeitszimmer sitzt und zeichnet, in der Öffentlichkeit erkannt! Nicht zuletzt natürlich durch solche TV-Auftritte wie vor ein paar Jahren bei „TV total“ und durch meine Live-Shows. Dadurch ist das Gesicht ein bisschen präsent. Ich bin im Grunde genommen absolut zufrieden so.

Was sind das für Live-Shows?

Das sind Cartoon-Comedy-Lesungen. Ein Mix aus Lesung und Stand-Up-Comedy. Wenn jemand ein Buch veröffentlicht und eine Lesung hält, kann man das damit vergleichen, dass ich meine Arbeit live präsentiere. Die sind dann aber medial besonders aufbereitet – teilweise mit Trickfilm-Einspielungen und manchmal mit etwas Publikums-Beschimpfungen … ;-)

Gehst du mit deiner Live-Show auf Tour?

Eine Tour ist in Planung. Durch die Corona-Krise ist alles ein wenig verschoben worden. Mit Hilfe meiner Freundin, die Grafikdesignerin ist, habe ich meine Mappe professioneller gestaltet und ein vernünftiges Tour-Plakat entworfen. Ich bin in Verhandlungen mit Veranstaltern und Booking-Agenturen. Im März hätte ich einen Auftritt in Düren und dann im April im Leibniz-Theater in Hannover gehabt. Ich hatte auch die Bestätigung für einen Auftritt bei „Bochum total“. Da wäre ich mit meinem Kumpel Oli Hilbring das vierte Mal dabei gewesen, was zeigt, dass die Show sogar vor Publikum funktioniert, das nicht weiß, was es erwartet. Leider wurden durch Corona alle Veranstaltungen abgesagt oder verschoben.

Schön finde ich, dass man bei Live-Shows direktes Feedback vom Publikum bekommt. Das ist eine der wenigen Gelegenheiten, außer den Signierstunden, wo man mit dem Publikum zusammenkommt. Das ist auch der Grund, weshalb es zwar gut und schön ist, dass sich viele Veranstaltungen in Livestreams oder Autokinos verlagert haben, aber es ist halt nicht das Gleiche. Gerade humoristische Veranstaltungen leben vom Publikum und der Stimmung.

Wenn du deinen Beruf nicht mehr ausüben könntest, aus welchem Grund auch immer, was würdest du dann machen?

Modeln. ;-)

Letztendlich würde man dann wahrscheinlich doch wieder bei Werbung landen oder mehr Auftragsillustrationen machen.

Du bist politisch aktiv. Wie bist du zur Politik gekommen?

Im Grunde muss man da erstmal fragen, was man als Politik bezeichnet. Eigentlich ist ja alles Politik. Durch meine Zeichnungen für Tageszeitungen bin ich relativ früh mit Sachen in Berührung gekommen, über die ich mich informieren musste und mich in die Thematik einlesen. Ich bin vielseitig informiert und beschäftige mich gerne mit Politik. Dadurch, dass ich in diesem Bereich auch viele politische Cartoons gezeichnet habe, war immer grundsätzliches Interesse daran vorhanden.

Das zieht sich dann so durch. Man verfolgt Lokalpolitik im eigenen Wohnort und es wird in dem Bereich viel Blödsinn erzählt, sodass man sich so darüber aufregt, dass man selbst aktiv wird, nein, werden muss! Ich bin ganz eng verbunden mit der „Caricatura“, der Galerie und dem Museum für komische Kunst in Kassel und in Frankfurt. Da habe ich diverse Sommer-Akademiekurse besucht und hatte viele Ausstellungsbeteiligungen oder eigene Ausstellungen. Und da ist natürlich die Verknüpfung mit dem Satiremagazin „Titanic“ da, wo ich auch schon veröffentlicht habe.

Man lernt da viele Leute kennen und dadurch kam der Kontakt mit der sehr guten Partei „Die PARTEI“ zustande. Letztendlich fand ich immer schon sehr gut, was Sonneborn da macht und bin vorletztes Jahr Mitglied geworden.

Willst du dich für ein kommunales Amt bewerben?

Als ich Mitglied geworden bin, habe ich gerade eine Ausstellung in Herten eröffnet, die ich selbst organisiert habe. Für die Cartoons-im-Pott-Reihe, die ich seit einigen Jahren veranstalte. An besagtem Wochenende stellte ich die Kollegen Hauck und Bauer aus, auch Titanic-Zeichner. Es waren viele Mitglieder der Partei da und auch die örtliche Presse.

Ein freier Mitarbeiter der lokalen Presse hat dann direkt rausgehauen, dass ich „Bürgermeister-Kandidat“ sei. Das habe ich bis heute weder bestätigt noch dementiert. Aber das wurde dennoch weiter forciert. Auch mein Freund, der Kriminalbiologe und Vorsitzender des Landesverbandes NRW der Partei „Die PARTEI“ Mark Benecke hat ja ein schönes Interview darüber gegeben.

Kurz danach wurde der Ortsverein gegründet. Seitdem geht es darum, ein waches Auge zu haben und auch ein bisschen aufzuklären. Die nächste Kommunalwahl ist im Herbst. Wir werden sehen … 😊

Wenn du jetzt sofort ein Gesetz erlassen könnest, welches wäre das?

Ich glaube dringender Handlungsbedarf ist momentan in Sachen plumper Populismus und Fake-News. Ich glaube, dass da einiges getan werden muss. Eine strenge Gesetzesformulierung müsste im Detail ausformuliert werden. Aber das ist etwas, was mich lokal momentan sehr beschäftigt. Wenn ich Bullshit höre, geht bei mir der Bullshit-Alarm los! Früher habe ich sowas in mich reingefressen, aber durch die PARTEI habe ich nun ein Vehikel, das rauszulassen, und den entsprechenden Trotteln auf die Füße zu treten. Auch durch die Reichweite, die ich im Internet habe.

Du engagierst dich auch gegen Rechts?

Ja, das sollte auch selbstverständlich sein!

Durch das Aufkommen der ganzen Ortsverbände der AfD, von dem wir auch in Herten ein Liedchen singen können, ist es ganz wichtig, sich gegen Rechts zu engagieren, darüber aufzuklären und aktiv zu werden.

Was wird da in Herten speziell getan?

In Herten haben wir ein viel beachtetes Bündnis: „Herten ist bunt“. Da bin ich sehr engagiert. Über manche Aktionen kann ich reden, über manche (noch) nicht.

Aber ob man nun Zeitzeugen interviewt und den Inhalt zugänglich macht, Flyer verteilt, rechte Schmierereien entfernt, es geht unterm Strich immer um Aufklärung und Bildung. Es darf nicht in Vergessenheit geraten, was passiert ist, damit man heute wachsam sein kann, um eine geschichtliche Wiederholung zu verhindern.

Auf der anderen Seite finde ich es bezeichnend, dass es in den Hochburgen, wo die AfD besonders viel Zulauf hat, und gewählt wird, kaum Mitbürger ausländischer Herkunft gibt. Im Gegenteil – gerade an der deutschen Ostküste sucht man händeringend Mitarbeiter im Tourismus-Bereich und es werden viele Osteuropäer angeworben. Wie kann das Wahlergebnis eines Stadtteils, in dem viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, so hohe Prozentzahlen für die AfD aufweisen? Für mich heißt das im Umkehrschluss, dass man eben die Menschen mit Migrationshintergrund an die Wahlurne bekommen muss, damit es die AfD ein paar Prozentpunkte kostet. Aber das sind nur wenige Gedankengänge, die einem durch den Kopf schießen. Das Thema ist sehr komplex und sicherlich einen gesonderten Text wert.

Warum lebst du in Herten? Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Ich bin da halt hängengeblieben. Man kann in Herten wirklich sehr schön wohnen und das Praktische ist, dass man da auch so schnell wieder wegkommt. Wir bekommen bald sogar einen Bahnhof. Das ist ein jahrzehntelanges Trauerspiel zwischen Lokalpolitik, Bahn und Bund. Letztendlich waren wir mal die größte Bergbaustadt Europas – die Gleise sind da und für eine Stadt mit etwas über 60.000 Einwohnern haben wird sehr viele Autobahnzubringer auf die A2, A42 und A43. Ich komme schnell weg, wenn ich irgendwo hin muss, und ich bin ja auch viel unterwegs mit den ganzen Messen und Auftritten. Ich muss auch nicht in irgendeiner Großstadt wohnen. Wenn man ein Haus hat, ist es auch irgendwie schwer, nochmal die Kurve zu kriegen. Außerdem kenne ich mich in Herten aus und meine Freunde leben da. Und ich bin ja bald Bürgermeister. Oder auch nicht.

Was magst du noch am Ruhrgebiet?

Ich fühle mich hier wohl und finde gut, dass alles so nah beieinander ist. Kulturell tut sich immer mehr – auch durch die ehemaligen Zechen, die oft zu Veranstaltungsorten werden.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann und warum?

Meine persönliche Wunschvorstellung wäre sicherlich ein Superheld mit einer abgefahrenen Kraft. Realistisch selbst eingeschätzt und durch die Augen meines Umfeldes betrachtet aber wahrscheinlich einfach nur Jon, das Herrchen von Garfield und Odie.

Das Interview führten wir im Mai 2020.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.