Leony la Roc aus Köln
„Du bist das Highlight des Abends – das große Geschenk.“
Hallo Leony. Stell dich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Leony la Roc und ich bin 30 Jahre alt und gebürtige Berlinerin. Ich habe ein Schauspielstudium abgeschlossen, bin hauptberuflich aber Künstlerin und Tänzerin. Ich habe auch mal ein paar Songs gemacht, aber das war früher. Mein Geld verdiene ich heute mit meinen Shows, mit dem Tanzen – Partystrip-Shows, Burlesque und Champagnerglas-Shows. Ich bin eine der wenigen Solokünstlerinnen in dem Business. Die meisten anderen treten in einem Ensemble auf.
Wo trittst du überall auf?
Ich werde für ganz verschiedene Events gebucht. Angefangen von kleinen Geburtstagsfeiern, über große Firmen-Events, Gala-Dinners, Messen bis hin zu Großraum Events beispielsweise in der Lanxess Arena Köln. Die Bookings sind in der Regel deutschlandweit, teilweise sogar europaweit.
Ich fahre zu meinen Auftritten immer mit dem Auto mit Anhänger. Fliegen ist mit dem ganzen Equipment leider schwierig.
Du hast mal gesungen?
Ich habe mit Gottfried Engels ein paar elektronische Songs gemacht. Aber da bin ich schon ganz lange raus. „Last Night a DJ saved my life“ hat zig Millionen Klicks und war auch Platz 1 bei Beatport.
Wie bist du auf die Idee gekommen, zu tanzen?
Es hat sich alles mit der Zeit entwickelt. Eigentlich immer durch andere. Den Denkanstoß zum Burlesque habe ich auch durch andere bekommen und mich mit dem Thema dann beschäftigt, weil es mich sehr angesprochen hat. Dann fiel mir auf, dass es dazu fast gar nichts zu kaufen gab. Knapp ein halbes Jahr habe ich gebraucht eine Designerin zu finden, die nach meinen Wünschen Showkostüme maßanfertigt. Kurz vor dem Kinostart „Burlesque“ hatte ich angefangen mich als Burlesqueperformerin anzubieten.
Ist Dita von Teese ein Vorbild von dir?
Kostümmäßig ja, aber mein persönliches Vorbild ist Scarlett James. Sie ist Amerikanerin und vom Typ her so wie ich. Ich finde sie vom Tanzen und der Ausstrahlung her einfach total toll.
Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Ich arbeite normalerweise an den Wochenenden, Freitags und Samstags. Je nachdem, wenn die Aufträge weiter weg sind, dann bin ich auch schon mal nur für einen Auftritt mehrere Tage unterwegs. Letzten Freitag z. B. klingelte um 9 Uhr mein Wecker und ich hatte zig verpasste Anrufe auf dem Handy – eher untypisch. Das war ein Kunde. Ein Notfall. Eine gebuchte Burlesque Tänzerin für die Show am darauffolgenden Tag hatte sich den Fuß gebrochen. Nun suchte er dringend eine hochwertige Burlesqueshow mit Champagnerglas. Auf einem Luxusdampfer, der MS Sonnenkönigin, für eine Veranstaltung der Klassikwelt Bodensee. Jedoch hatte ich bereits schon für Samstag vier kleinere Shows im Umkreis. Nach gefühlten 30 Telefonaten hatte ich für Ersatz gesorgt, alles geklärt, den Vertrag aufgesetzt etc. Schnell musste alles gepackt werden – Schwamm, Eimer, die Seife, Abpumpsystem, Akkubohrer (Akkus geladen?!), Stuhl, Leiter, Requisiten, Glas, Kostüme, … An dem Tag musste ich noch zur Werkstatt, dann zur Hochzeit von Freunden, danach war ich ca. neun Stunden unterwegs für vier Shows. Es war nun 4 Uhr morgens. Um 6 Uhr hatte ich geplant, mich auf den Weg zum Bodensee zu machen. Es wäre sinnvoll gewesen, direkt zu fahren, aber ich war echt hundemüde. Also entschied ich mich, knapp zwei Stunden zu schlafen. Pünktlich um 6 Uhr fuhr ich los und war rechtzeitig zum Aufbau des Champagnerglases vor Ort. Dort lernte ich den künstlerischen Leiter sowie die Band kennen. Wir klärten dann noch die Details für die spätere Show am Abend. Dort stylte ich mich dann auch für den Auftritt. Es gab die Nacht wieder mal nur sechs Stunden Schlaf. Am Sonntag baute ich dann ab und war so erst spät abends zu Hause. Aber es muss ja noch ausgeladen werden, das Kostüm gewaschen, etc.
Die Wochenenden sind meist ereignisreich und schlafarm. Unter der Woche trainiere und probe ich, je nachdem, wie ich es zeitlich hinkriege. Dazu lerne ich auch noch Saxophon. Oft gehört auch dazu, Material wie Fotos und Videos von den Jobs auszusortieren, Akquise zu machen – also Büroarbeit – und eventuell sogar ein neues Kostüm zu nähen. Denn dafür brauche ich in der Regel mehrere Wochen. Nebenbei kümmere ich mich um ein paar Immobilien für meine Altersvorsorge.
Wie groß ist das Glas, in dem du deine Show präsentierst?
Ich habe zwei Gläser. Beide sind 1,50 m hoch, eines davon kann ich aber auf 1,30 m kürzen, falls die Location nicht hoch genug ist. Das erste, das ich mir gebraucht gekauft habe, hat einen Durchmesser von 1,50 m. Das ist schon grenzwertig groß zum Performen. Das gebrauchte Glas habe ich selbst verschönert: elfenbeinfarben gesprüht, mit Steinen verziert, mit Stoff teilweise bespannt und Lederschuhe für die Beine gebaut. Das rustikale Martiniglas habe ich nach meinen Wünschen bauen lassen. Es ist aus Stahl mit reiner Handarbeit gefertigt. Ich nenne es immer gerne den Porsche unter den Gläsern, da die Qualität sehr hochwertig ist. Ich kann zum Beispiel die Füße verstellen.
Wie viele Flaschen Champagner passen in das Glas?
Für mein rustikales Martiniglas sind es ca. 10 Flaschen, wenn ich auch performe. Da man meistens wegen der Technik rundherum nichts nass machen darf, dürfte für die Bewegungsfreiheit nicht viel mehr im Glas sein. Ich nutze für die Show allerdings Seifenlauge. Die Mischung macht´s. Das lernt man mit der Zeit. Auch was Details wie Glitzer oder Pailletten angeht: Die bremsen mich im Glas total aus und ich kann mich nicht mehr gut bewegen. Daher sind die bei der Champagnerglas-Show ein No-Go. Bei Shootings können auch gut und gerne 30 Flaschen in das Glas – da wird schließlich nur gepost.
Machst du auch Go-Go-Dance?
Ich habe das früher für ungefähr ein Jahr als Einstieg gemacht. Schnell habe ich gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, eigene Shows auf die Beine zu stellen. Da ist Kreativität gefragt. Im Partystrip habe ich mittlerweile 20 Kostüme und im Burlesque- und Künstlerbereich zehn Kostüme. Im Endeffekt bist du dein eigener Chef und entscheidest, was du letztendlich anbietest, welche Musik du nutzt etc.
Hast du den Stil deiner Kostüme selbst ausgesucht?
Ich denke man könnte schon sagen, dass ich mit die schönsten Showkostüme als Solokünstlerin habe. Klar komme ich an Dita von Teese nicht dran, aber jedes Kostüm, das ich habe, ist handgefertigt mit echten Straußenfedern und Swarovski-Steinen. Und ich habe viele Kunden, denen diese Details wichtig sind – so wie mir. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, den pompösen Weg zu gehen. Ich liebe Strass und Glitzer. Ich wollte die Sache richtig oder gar nicht machen.
Was ich sehr an meiner Arbeit mag ist das Kreative – sich neue Shows ausdenken, neue Kostüme anfertigen lassen oder selber nähen. Ich liebe es, wenn die Kostüme entstehen und den Moment der ersten Anprobe. Bei meinem Barock-Kostüm habe ich sogar geweint. Das war irgendwie so, wie ich mir die Anprobe von meinem Hochzeitskleid vorstelle. So besonders. So schön. Mein Portfolio versuche ich immer zu erweitern. Für meine Meerjungfrauen-Nummer habe ich das Kostüm selbst genäht. Das Kostüm ist wahnsinnig schön – wirklich. Es sieht toll aus! Mit Haarkreide färbe ich dann meine Haare passend zum Kostüm oder ziehe verschiedene Perücken an.
Hast du eine Idee, was du später mal machen möchtest?
Ja. Ich lerne Saxophon. Irgendwann möchte ich als Berufsmusikerin arbeiten. Mein Traum ist es, meine Shows mit dem Saxophon zu verbinden. Zum Beispiel stelle ich mir vor, wie ich mit meinem neuen goldenen funkelnden Las Vegas Showkostüm auf der Bühne spielend mit meinem Saxophon auftrete. Das soll so ein richtig „flashiger“ Auftritt sein. Irgendwann werde ich mich wohl nicht mehr ausziehen, aber dann noch in meinen tollen Showkostümen Saxophon spielen.
Neben den Burlesque- und Champagnerglas-Shows strippst noch?
Ja. Ich mag auch das Party-Strippen sehr. Bei Partystrip und Burlesque stoßen häufig zwei Welten aufeinander. Das eine ist so viel familiärer. Die Gäste warten schon ganz gespannt auf eine, man ist die große Überraschung des Abends, das einzige Geschenk. Häufig nach meinen Shows umarmen mich die Gäste und bedanken sich persönlich bei mir. Beim Burlesque hingegen habe ich primär Firmen-Events, wo die Leute ihre Etikette wahren und ich einer der Programmpunkte bin. Das ist deutlich unpersönlicher. Nur beim Burlesque habe ich die Möglichkeit, in den wunderschönsten Kostümen durch unglaubliche Schlösser zu wandeln. Auch das möchte ich nicht missen!
Hast du ein Management?
Leider nicht. Würde ich mir aber manchmal wünschen. Ich manage mich selbst im Bereich Burlesque. Dazu zählt die komplette Akquise und Kundenbetreuung. Das ist dann oft die Zeit, die mir tatsächlich zum Proben fehlt. Hinzu kommt, dass ich auch noch meinen Lebensgefährten manage. Er ist Profi-Saxophonist.
Hast du manchmal auch Probleme, so freizügig in der Öffentlichkeit zu stehen?
Wenn ich jetzt so im Nachhinein überlege, hätte ich alles, was ich jetzt mache, gerne schon als Teenager gemacht. Da fehlte mir aber das Bewusstsein, was ich möchte und als was ich mich darstellen möchte. Aber besser spät als nie! Wenn ich so zurückblicke, bringt es mich schon zum Schmunzeln, wie ich alles so gemacht habe, was ich heute ganz anders anpacken würde. Darum möchte ich auch keine 18 mehr sein.
Ich habe von mir auch viele wirklich wunderschöne Teilaktbilder schweren Herzens von meiner Homepage runtergenommen, weil es für mich eine Art Gratwanderung ist: Auf der einen Seite ziehe ich mich aus, auf der anderen Seite habe ich Kunden wie Haribo, die Commerzbank und Huawei.
Zum Beispiel gab es bei Haribo damals tatsächlich Theater. Auf Facebook war ein Journalist, der völlig durchdrehte und öffentlich auf meiner Pinnwand drohte, an die Presse zu gehen und mich quasi fertig zu machen. Seine Begründung war, dass er nicht verstehen kann, dass so eine Person wie ich, die als Showgirl arbeitet, auch für Haribo Aufträge ausführt. In diesem Fall habe ich für Haribo aus Haribo-Süßigkeiten ein komplettes Kostüm designed und genäht und war als schauspielerischer Walking Act gebucht, also angezogen und seriös. Die Haribo Mitarbeiter waren total begeistert. Ich habe diesem Journalisten erklärt, dass meine Tätigkeiten sehr vielseitig sind. Ich werde sogar auf Kinderfesten als Arielle gebucht. Man muss eben jeden Job für sich betrachten und solange dieser entsprechend ausgeführt ist, stellt es in meinen Augen kein Problem dar, dass ich auch erotischere Shows anbiete. Jedenfalls habe ich von der Geschichte nichts mehr weiter gehört, nachdem ich den Journalisten blockiert hatte.
Seit wann lebst du im Ruhrgebiet?
Ich bin in Berlin geboren und auch meine Mutter ist gebürtige Berlinerin. Als ich 13 war, sind wir nach Essen gezogen, als sie meinen Stiefvater geheiratet hat. Er ist gebürtiger Essener. Ich habe hier dann das Burggymnasium besucht. Im Anschluss habe ich Steuerrecht studiert und beim Finanzamt Essen gearbeitet, aber zugegebenermaßen die Prüfung absichtlich versemmelt. Hätte ich mein Diplom gemacht, ohne die nächsten fünf Jahre beim Finanzamt zu arbeiten, hätte ich die Ausbildungssumme zurückerstatten müssen und wäre hochverschuldet gewesen. Und das war doch nicht so ganz der richtige Job für mich, muss ich gestehen. Seit Mai letzten Jahres lebe ich in Köln.
Wie siehst du deine Zeit im Ruhrgebiet?
Mir gefällt Essen immer noch besser als Köln. Es ist einfach grüner. Köln hat zwar grüne Hotspots, aber bist du mit dem Auto unterwegs, siehst du davon nix. In Essen habe ich immer noch das Heimatgefühl und es ist einfach ruhiger. Wir leben in der Innenstadt von Köln und da ist mir echt zu viel Trubel. Und auch die Aggression der Leute in Bezug aufs Autofahren finde ich erschreckend.
Im Ruhrgebiet mag ich die Autobahnverbindungen und, dass man so schnell von einer in der anderen Stadt ist. Das Ruhrgebiet ist irgendwie eins.
Interessant finde ich auch, dass ich durch meine Auftritte in ganz Deutschland gemerkt habe, dass man im Ruhrgebiet immer sehr nett und offen aufgenommen und freundlich behandelt wird. Dahingegen wirken die Menschen in Düsseldorf oft hochnäsig und arrogant. Du wirst sofort abgecheckt, „Was für Schuhe?“, „Was für Klamotten?“ – kurz: du wirst augenblicklich bewertet. Und ich habe dort immer das „Ich bezahl ja für dich“-Gefühl. Irgendwie werde ich dort komisch behandelt und es steht sehr im Vordergrund, dass man mich bucht – wie einen Gegenstand. Klar werde ich im Ruhrgebiet auch gebucht, aber das lässt man da nicht so raushängen. Die Atmosphäre ist eher familiär, auch wenn man bezahlt wird. Ich bin gerne im Ruhrgebiet.
Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann und warum?
Ich würde am ehesten Aschenputtel sagen. Ich komme aus sehr einfachen Verhältnissen. Wir haben früher kein Auto gehabt und in Berlin in einem Hochhaus gelebt. Meine Mutter war alleinerziehend und berufstätig. Ich habe mich schon mit sieben um mein Essen selbst gekümmert, hatte keinerlei Regeln. „Mama, wann soll ich zu Hause sein?“ – „Wenn du es für richtig hältst.“ Das hat mich sehr geprägt und ich bin dankbar dafür, denn für mich ist nichts selbstverständlich. Ich kann mich genauso über eine grüne, saftige Wiese freuen wie über teure Geschenke. Und letzte Woche hatte ich einen Auftritt in einem Schloss, um dort in mein Barock-Kostüm und meine Rolle zu schlüpfen. Das habe ich sehr genossen. Das war ein Gefühl wie in einem Märchen zu sein. Von Aschenputtel zur Prinzessin für einen Tag.
Das Interview führten wir im Juni 2017.
Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.