Frank Heim aus Essen
„Geil – Bass! Keine Akkorde lernen und nur vier Saiten.“
Hallo Frank, stell dich doch bitte kurz vor.
Ich bin Frank, 37 Jahre alt, Musiker und habe eine Agentur. Ich wohne in Essen, komme aber ursprünglich aus Karlsruhe. Und ich habe einen Hund – Pelle.
Ich bin in Karlsruhe geboren und zur Schule gegangen. Nach dem technischen Gymnasium habe ich Zivildienst bei der Diakonie geleistet. Während dieser Zeit habe ich oft Bass geübt, weil ich relativ viel Freizeit hatte. Mit 18 Jahren habe ich schon begonnen, selbst Bass-Unterricht zu geben.
Wie bist du zum Bass spielen gekommen?
Das war ungefähr 1992. Wir waren drei Freunde und die anderen beiden wollten Gitarre lernen. Ich hab mir dann gedacht, dass meine Eltern mir sowieso nicht erlauben würden, Schlagzeug zu lernen, was ein Instrument gewesen wäre, mit dem man eine Band gründen könnte, also blieb noch der Bass. Ich dachte mir dann so „Geil – Bass! Keine Akkorde lernen und nur vier Saiten.“ Damals war ich schon Guns ´n Roses-Fan – die habe ich auch 1993 im Wildparkstadion in Karlsruhe gesehen – mein erstes Konzert. Das war die Zeit der Use-your-Illusion-Alben. Und drei Monate später hab ich meinen ersten Bass zum Geburtstag bekommen.
Was hast du studiert?
Bass! Einer meiner Schüler, dem ich damals Bass-Unterricht gegeben habe – und auch noch heute gebe – meinte zu mir „Bass spielen ist dein Ding! Wenn ich nächste Woche komme, liegt hier deine Bewerbung für die Jazz- und Rockschule Freiburg. Und dann schickst du die ab!“ Und das habe ich dann auch gemacht und zwei Jahre in Freiburg und ein Jahr in München Bass studiert. Ich habe also tatsächlich einen Zettel, auf dem steht, dass ich Bass spielen kann. Während der Studienszeit habe ich auch schon Geld mit der Musik verdient – mit Unterricht und durch das Spielen in Cover-Bands.
Wie hast du deine heutige Band Saltatio Mortis kennengelernt?
Der Erstkontakt mit der Band war 2006. Ich habe beim damaligen Gitarristen von Saltatio Mortis in der Musikschule unterrichtet. Die Band hat zu der Zeit ein neues Album in dem Studio in der Schule geschrieben und irgendwann klopfte der Gitarrist – mein damaliger Chef – an meine Tür und fragte, ob ich kurz aushelfen könnte und etwas für einen Sampler aufnehmen könnte. Der Bassist war wohl nicht da. Ich hab das gemacht und ein paar Wochen später rief er mich wieder an. Der neue Bassist war zu der Zeit verhindert und da haben sie mich gefragt, ob ich aushelfen könnte. Wir haben also einen Preis ausgehandelt und erst waren es nur zwei Konzerte, dann wurden es fünf und irgendwann habe ich im Studio das Album „Aus der Asche“ mit ihnen eingespielt. Da haben sie mich dann gefragt, ob ich ganz einsteigen würde.
Die Band spielt Rockkonzerte, aber auch Akustik-Shows auf Mittelaltermärkten. Die Mittelaltermärkte habe ich aber erst mal für mich ausgeschlossen. Ich habe privat auch nichts mit dem Mittelalter am Hut, also habe ich erstmal nur die Rock-Shows mitgespielt.
Seit wann gibt es die Band?
Saltatio Mortis gibt es seit 2000. Die Band hat auf der Straße mit Tröten und Trommeln angefangen, dann wurde Elektro gemischt – ich glaube, ab dem zweiten Album – und ab 2005 wurde zum ersten Mal ein Rock-Album gemacht. Da hatten alle Lust drauf. Ich war ab dem zweiten Rock-Album dabei, das auf Platz 29 der Deutschen Album-Charts eingestiegen ist. Für so eine Mittelalterband, die kaum jemand kannte, war das schon bemerkenswert.
Wie bist du dann nach Essen gekommen?
Mit dem Auto. Das war 2011 – mit 31 Jahren. Ich bin zu meiner Freundin nach Essen gezogen, obwohl das Banddomizil ja in Karlsruhe ist. Ich musste also viel pendeln. Damals habe ich auch noch an verschiedenen Musikschulen unterrichtet, aber die habe ich nach und nach aufgegeben. Fahren ist für mich auf jeden Fall kein Spaß mehr – eher eine Notwendigkeit. Wobei ich das Autofahren auch heute noch damit verbinde, dass ich viele Podcasts und Hörbücher höre – kaum Musik.
Kannst du ein Hörbuch empfehlen?
2012 oder 2013 habe ich „Die Vier-Stunden-Woche“ von Tim Ferriss gehört. Das hat zu einer Verkettung von Dingen geführt, die mein Leben nachhaltig beeinflusst haben. Ich habe mich damals für einen Online-Kurs zum Thema Dropshipping angemeldet, der von zwei Typen angeboten0 wurde, die beide ein Business hatten, für das sie ortsunabhängig arbeiten können. Dropshipping bedeutet einfach ausgedrückt, dass du etwas online verkaufst, was du aber nicht selbst in einem Lager hast, sondern direkt vom Hersteller verschicken lässt. Sowas wollte ich mir auch aufbauen und daraus ist im Endeffekt auch unsere Agentur entstanden. Meine Mentoren waren Vince, ein Online-Unternehmer aus den USA, und Kurt, ein Spezialist für Suchmaschinenoptimierung aus Australien. Meine Partnerin und ich waren im Zuge dieses Online-Kurses auch bei meinen Mentoren in Phuket, Thailand und lernten da viele Leute kennen, die ähnlich tickten und sich auch ein ortsunabhängiges Business aufbauen wollten. Letztendlich ging es um die Neukalibrierung des eigenen Mindsets. Das Otto-Normal-Denken zu durchbrechen, dass man eben nicht 40 Jahre lang schuften muss, um irgendwann als alter Mensch die Welt bereisen zu können, wenn das aber nicht mehr so leicht ist.
Hast du zu deinen Mentoren von damals noch Kontakt?
Letztens habe ich Vince in Berlin getroffen. Er war in Europa beruflich unterwegs und hat einem Freund bei der Einführung seines Unternehmens in Europa geholfen.
Und warum hast du eine Agentur gegründet?
Ich habe mit Agenturleben eigentlich nie etwas zu tun gehabt. Irgendwann habe ich mir mal selbst beigebracht, Webseiten zu entwickeln. Dann hatte ich selbst auch eine und bei einem Thailand-Urlaub kam ich mit meiner Freundin auf die Idee: warum nicht selbständig machen? Sie war damals noch angestellt, aber nicht glücklich damit, und ich wollte etwas haben für den Fall, dass die Band irgendwann mal nicht mehr existiert. Sowas kann von heute auf morgen passieren – auch wenn es nicht absehbar ist. Sie hat dann gekündigt und wir haben unseren eigenen Laden aufgemacht. Heute – drei Jahre später – kann man schon sagen, dass es ganz gut läuft.
Die höchste Priorität, die wir bei der Agenturgründung hatten, war: Wir wollten so wenig Arbeit wie möglich machen, bei der wir physisch an einem Ort sein müssen. Wir wollten kein großes Büro. Mein Leben lang – außer in der Schule und beim Zivildienst – musste ich nie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein. Ich habe auch keinen Bock, meine Lebenszeit in einem Stau auf dem Weg zur Arbeit zu vergeuden. Deswegen nutze ich die dreieinhalb Stunden, wenn ich nach Karlsruhe zur Bandprobe fahre, für Hörbücher. Das erinnert mich daran, was ich eigentlich will: Ein selbstbestimmtes Leben führen.
Warum wohnst du dann nicht in Karlsruhe direkt am Proberaum?
Es war eine bewusste Entscheidung, in Essen zu leben. Der Ort und die Menschen hier gefallen mir viel besser als Süddeutschland. Das sage ich ganz offen. Mir ist es lieber, man sagt mir die Meinung offen ins Gesicht. Das ist hier im Ruhrpott so. Es ist schön in Baden-Württemberg, aber ich habe da lange genug gelebt. Wenn du in Berlin oder im Ruhrgebiet in eine Kneipe gehst, hast du innerhalb von Minuten Kontakt zu irgendwem. Fragst du in Stuttgart jemanden in einem Restaurant etwas, bekommst du manchmal nicht mal eine Antwort.
Was gefällt dir noch am Ruhrgebiet?
Es ist alles so schön nah. Wenn ich hier zehn Minuten fahre, bin ich manchmal schon durch drei Städten durchgefahren. Kein Weg ist zu weit. Der kurze Weg zum Flughafen ist ein weiterer Vorteil. Die Menschen kann ich durchaus noch mal erwähnen. Sie sind offen und sind sich auch nicht zu schade, sich die Hände dreckig zu machen, um etwas zu bewegen. Dieses Geerdete und diese Malochervergangenheit aus dem Gebiet hier, die ist einfach toll. Hier kommt man einfach nicht weit, wenn man immer nur Show macht. Das ist wie im Musikgeschäft: Du kommst nicht weit, wenn du ein Arschloch bist.
Deine Mutter kommt aus Thailand. Wie haben sich deine Eltern kennengelernt?
Mein Vater ist gelernter Schlosser und war bei der Berufsfeuerwehr. Neben dem Schichtdienst in seinen freien Tagen ist er sehr viel gereist. Er hat bestimmt 30 bis 40 Länder gesehen.
Meine Mutter kam 1972 aus Thailand nach Deutschland. Meine Eltern haben sich in Thailand kennengelernt und irgendwann bekam mein Vater einen Brief von ihr, in dem stand, dass sie nach Deutschland kommt. Einfach so. Mein Onkel und mein Vater haben sie dann am Flughafen in Frankfurt abgeholt und sie stand da in einem gelben Regenmantel, weil sie gehört hatte, dass es in Deutschland so oft regnen soll. Und dann war sie da.
Wie ist das Verhältnis zu deiner Mutter?
Mein Wunsch, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, wurde mir durch meine Mutter eher nicht vorgelebt. Sie hat ein Alkoholproblem. Daher war ich als Kind schon sehr früh sehr selbstständig. Ab einem gewissen Zeitpunkt wusste ich, dass ich für mich selber sorgen muss, und dieser Gedanke ist auch bis heute tief verankert. Ich bin mir nicht zu fein, 18 Stunden am Tag zu arbeiten, weil ich es eben für mich mache. Für mich und diesen kleinen Hund, den ich jetzt habe, und für meine beiden Firmen. Das ist mein Ding.
Die Krankheit meiner Mutter hat bei mir auch dazu geführt, dass ich keinen Alkohol trinke. 1997 habe ich meinen letzten Schluck Alkohol getrunken. Zu meiner Mutter habe ich eine Gleichgültigkeit entwickelt. Wir haben hin und wieder Kontakt, aber sehr distanziert. Sie hat diverse Langzeittherapien hinter sich, aber keine hat geholfen. Irgendwann haben meine Eltern sich dann auch scheiden lassen.
Würdest du dich als Einzelgänger bezeichnen?
Ich glaube alle, die mich kennen, würden mich als Einzelgänger bezeichnen.
Aber du bist auf den Hund gekommen. Wie kam das?
Seit etwa einem Jahr lebt Pelle bei mir. Wir hatten ihn eigentlich erst als Pflegehund aufgenommen und wollten ihn aufpäppeln, um ihn weiterzuvermitteln. Er war ein Notfallhund aus Kreta – ein Straßenhund – und ein laufendes Knochengerüst, als er ankam. Ich war auf Tour und habe ihn am Folgetag kennengelernt. Er hat sich echt über alles und jeden gefreut und so ist er heute auch noch drauf.
Nachdem wir ihn einigermaßen aufgepäppelt hatten und er wieder etwas mehr auf den Rippen hatte, kamen erste Interessenten für ihn aus Oberhausen. Ein Studentenpärchen, das wirklich sehr ungepflegt war. Ich musste die Wohnung lüften, als sie weg waren und da hab ich mir überlegt, dass ich ihn behalten möchte. Der Hund würde dafür sorgen, dass ich nicht den ganzen Tag am Monitor klebe. Und deshalb bleibt er jetzt bei mir, mit allen Konsequenzen. Ich war zum Beispiel seitdem nicht mehr im Urlaub und das wird auch eher dabei bleiben.
Ich bin auch der Meinung, dass der Besitzer sich nicht den Hund aussucht, sondern der Hund den Besitzer. Und der Hund ist ein Spiegel, wie man selbst auf Dinge reagiert. Er ist eher ein nervöseres Hemd, was aber sicher von seinen Erfahrungen als Straßenhund kommt. Er ist sehr geräuschempfindlich, aber das wird immer besser.
Würdest du die Band wechseln? Bei wem würdest du miteinsteigen wollen?
Queen gibt es nicht mehr. Da wäre ich dabei gewesen. Sonst würde ich nicht wechseln wollen.
Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann?
Batman! Nicht wegen der großen Hütte und der Karre, sondern weil er das, was er macht, für gute Zwecke einsetzt und sonst hat er seine Ruhe. Ich arbeite gerne komplett alleine und werde nicht gerne gestört. Zufällig kam mein Hund Pelle auch mit einer Batman-Leine nach Deutschland und sieht mit seinen großen Schlappohren auch irgendwie aus wie eine Fledermaus.