Alisa-Jil, 34, aus Essen
„Autonomie ist mir wahnsinnig wichtig.“
Hallo Alisa, stell dich doch bitte kurz vor.
Ich bin Alisa-Jil, 34 Jahre alt, komme eigentlich aus Mülheim an der Ruhr, bin in Oberhausen geboren und wohne seit November 2020 in Essen mit meinem Mann zusammen. Ich habe mich vor ungefähr einem Jahr mit als Influencerin mit Social Media und als Personal Trainerin selbstständig gemacht. Das war für mich ein sehr großer Schritt.
Mit wie vielen Followern hast du damals angefangen?
Als ich entschieden habe, mich in dem Bereich selbstständig zu machen, hatte ich erst etwas über 200 Follower auf Instagram. Das war Anfang letzten Jahres. Ich wollte es einfach mal versuchen und habe sehr viele Beiträge gepostet. Dadurch bin ich tatsächlich in den Explore bei Instagram gekommen und da gingen die Zahlen echt schnell nach oben. Jetzt habe ich auf Instagram 43.200 Follower.
Wie hast du das geschafft? Was postest du?
Am Anfang habe ich so drei bis vier Beiträge pro Woche gepostet. Hauptsächlich Selfies von mir. Ich hab mir auch nicht viele Gedanken darüber gemacht, sondern spontan gepostet. Meine Follower sind hauptsächlich Männer und da muss ich natürlich auch gucken, dass denen gefällt was ich poste. Also poste ich hauptsächlich einfach mich. (lacht)
Und melden sich auch Unternehmen für eine Kooperation bei dir?
Letztes Jahr im August wurde ich das erste Mal von zwei Firmen angeschrieben. Für eine Massagepistole und für Sportklamotten. Das war ein Affiliate-Programm. Das würde ich heute nicht mehr machen, da das wirklich viel Aufwand ist. Ich nehme heute nur noch bezahlte Partnerschaften an und werbe nicht mehr für Provision.
Kannst du davon leben?
Ich glaube, um gut davon leben zu können, braucht man schon noch mehr Follower.
Wie sind deine Wünsche für die Zukunft?
Ich bin ein Mensch, der keinen 5-Jahres-Plan hat. Gefühlt fange ich jedes Jahr einen neuen Lebensabschnitt an. Klar, wenn ich für bekannte Marken werben dürfte, wäre das schon super. Privat bin ich sehr glücklich und habe erstmal keine großen Wünsche.
Was hast du vorher beruflich gemacht?
Vorher habe ich als Fitnesstrainerin gearbeitet und davor als Erzieherin – in Kitas und in offenen Ganztagsschulen. Das war aber nichts für mich.
Was daran war nichts für mich?
An den Kindern lag das nicht. Die waren bezaubernd. Aber die Rahmenbedingungen waren schrecklich. Gerade der Personalschlüssel war zu niedrig gesetzt. Und dazu kam, dass ich teilweise mit der Lautstärke nicht zurechtkam. Ich hatte sogar irgendwann psychische Probleme, weil so einiges passiert ist.
Was genau ist vorgefallen?
Ich war in relativ vielen Einrichtung und in manchen war es nicht so schön. Da wurde ich von den anderen Erzieherinnen gemobbt. Die wollten mich da nicht haben. Sie haben hinter meinem Rücken gesagt, dass ich für den Job total ungeeignet wäre und was ich denn hier machen würde. Natürlich so, dass ich es trotzdem mitbekommen habe. Teilweise wurde ich von ihnen komplett ignoriert und sie haben nicht mit mir gesprochen.
Hast du das Thema bei der Leitung angesprochen?
Ja klar. Und wir haben uns auch alle an einen runden Tisch gesetzt und darüber gesprochen. Aber ich hatte das Gefühl, dass die mich nicht für voll genommen haben. Alles wurde klein geredet und das wollte ich nicht mit mir machen lassen. Da wollte ich definitiv nicht mehr arbeiten.
Ich habe keine Ahnung, warum das passiert ist. In einer anderen Einrichtung gab es dann auch wieder Zickereien zwischen dem Personal … ich weiß gar nicht, wie oft ich gewechselt habe, aber es war immer schrecklich.
Bei sowas verliert man auch das Vertrauen in die Arbeitskollegen. Wenn die sowieso immer über einen lästern und nicht loyal sind, dann geht jegliche Motivation verloren. Das war auch der Grund, warum ich mich letztendlich selbstständig gemacht habe. Ich wollte einfach mein eigener Chef sein. Autonomie ist mir wahnsinnig wichtig. Ich muss immer eine freie Entscheidung haben, sonst fühle ich mich nicht wohl.
Irgendwann war ich auch so fertig mit den Nerven, dass ich für ein Jahr krankgeschrieben wurde. Ich konnte den Beruf nicht mehr ausüben und es ging mir psychisch schlecht. Während dieser Zeit konnte ich auch keine Kinder mehr ertragen, alleine diese Lautstärke … das hat mich wahnsinnig gemacht.
Würdest du sagen, dass du aufgrund der schlimmen Zeit als Erzieherin und des Mobbings du privat keine Kinder bekommen möchtest?
Zuerst ja. Als ich vollkommen aus dem Beruf raus war, habe ich mich dazu entschieden, keine eigenen Kinder zu bekommen. Das ist eigentlich wirklich traurig, aber diese Phase hat mir das echt vermiest. Allerdings weiß man ja nie, ob sich das nicht doch noch einmal ändern wird.
Während dieser Zeit habe ich auch angefangen, Sport zu treiben. Das hat mir geholfen und hat mir richtig Spaß gemacht. Und darum habe ich auch die Ausbildung zur Trainerin gemacht.
Was magst du am Ruhrgebiet oder was magst du nicht?
Ich liebe es hier. Gerade Essen. Ich mag so große Städte einfach. Ich brauche Trubel. Ich gehe selten feiern, aber wenn ich Trubel brauche, gehe ich shoppen in den Limbecker Platz. Das mache ich gerne. Da könnte ich Tage verbringen.
Was mir nicht gefällt: die ganzen Fußballvereine. Da steh ich überhaupt nicht drauf.
Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann?
Ich glaube, ich wäre irgendeine Prinzessin. Oder Cinderella! Alleine schon wegen des Kleides. So eins hatte ich bei meiner Hochzeit auch.
Das Interview führten wir im Mai 2023.
Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.