Jay Oh aus Bochum

„Du musst kein Popstar sein, um Musiker sein zu können!“

Hallo Jay. Stell dich doch bitte kurz vor.

Mein Name ist Jay, ich bin 31 Jahre alt und arbeite als freiberuflicher Sänger und Sozialpsychologe in Teilzeit.

Ist Jay Oh dein richtiger Name?

Nein. Mein richtiger Name ist Sae-Hun Oh. Den Nachnamen „Oh“ habe ich behalten und Jay ist eben nur eine verkürzte Form meines Vornamens.

Woher kommst du?

Meine Eltern kommen aus Südkorea. Ich bin in Arnsberg geboren und in Bochum aufgewachsen und geblieben.

Meine Eltern haben sich hier in Deutschland vor etwa 40 Jahren kennengelernt und geheiratet. Damals gab es einen Pflegenotstand in Deutschland und es wurde händeringend nach Pflegekräften gesucht. Im Rahmen dessen sind viele Koreaner hierhin gekommen. Meine Mutter war Krankenschwester und mein Vater Bergmann.

Wolltest du schon immer Sänger werden?

Ich habe schon immer gerne gesungen – schon seit dem Kindergarten. Ich habe damals angefangen mit Bernhard und Bianca, der Mäusepolizei – also mit irgendwelchen Disneyfilmen, die meine Eltern mir geschenkt haben.

Vorher wollte ich mal Lehrer werden. Dass ich beruflich auch Sänger werden wollte, hat sich erst in der Teenagerzeit herausgestellt.

Hast du alleine oder in einer Band gesungen?

2008 war ich das erste Mal unter Vertrag bei Sony Music. Das war eine Casting-Band – drei Jungs, zwei Mädels. Wir haben Eurodance gemacht und waren ein Jahr lang unterwegs und haben alle Stationen mitgenommen: Fernsehgarten, Olympia Stadion und so weiter. Das war schon ganz cool, aber es war erstens musikalisch nicht so meine Erfüllung und zweitens auch nicht von großem Erfolg gekrönt. Dann habe ich danach erst mal mit meinem Studium weitergemacht, was ich vorher schon angefangen hatte. Ich habe Sozialpsychologie, Sozialanthropologie und Anglistik studiert. Nach dem Studium habe ich bei der Stadt Bochum angefangen.

Im sozialen Bereich?

Ja. Ich habe schon immer neben dem Studium im sozialen Bereich gejobbt. Zum Beispiel auch im Franz-Sales-Haus in Essen und in Bochum für die Diakonie. Ich wollte was machen, wovon ich in 30, 40, 50 Jahren sagen kann, dass das was Sinnvolles war und wobei ich mich nützlich gefühlt habe. Noch während des Studiums habe ich beschlossen, in dem Bereich zu bleiben. Ich habe 2011 nach dem Studium ein Trainee-Programm der Stadt Bochum begonnen und bin im Anschluss komplett in den Sozialen Dienst der Stadt eingestiegen.

Wie hast du die Arbeit im Franz-Sales-Haus erlebt?

Für mich war der Zivildienst der erste Berührungspunkt mit behinderten Menschen. Ich war im Bereich freizeitstrukturierende Maßnahmen für geistig behinderte Jugendliche und Rentner eingesetzt. Da habe ich eine wirklich schöne Zeit gehabt und habe auch unter den Kollegen meine bis heute guten Freunde gefunden. Wir hatten viele tolle Erlebnisse. Das war eine sehr dankbare Arbeit, die einem viel gegeben hat.

Wie kam es, dass du dich dann wieder mehr der Musik zugewandt hast?

Im festen Job ist mir klar geworden: „Du musst kein Popstar sein, um Musiker sein zu können!“. Für diese Erkenntnis habe ich etwas länger gebraucht. Ich habe Spaß an Musik und kann dies auch ohne das ganze Medienwirrwarr zum Beruf machen. Ich hatte angefangen, mit den ersten Agenturen und Veranstaltern zusammenzuarbeiten und dann kam 2015 die Show „Das Supertalent“, die mir einen Kickstart gegeben hat. Für mich war das eine tolle Erfahrung, ich bin sehr dankbar, dass ich die machen konnte, habe viele interessante, tolle Menschen kennengelernt und die Teilnahme hat mir viele Türen geöffnet. Und das war es auch, was ich davon erwartet habe. Ich konnte zum Beispiel aufgrund von „Das Supertalent“ in Las Vegas auftreten. Ich habe viele Leute kennengelernt, mit denen ich jetzt noch zusammenarbeite. Meine Arbeit bei der Stadt habe ich mittlerweile auf eine halbe Stelle reduziert. Ich bin glücklich so.

War es wirklich so, dass du bei „Das Supertalent“ eigentlich nur Zuschauer warst und spontan aufgestanden und mitgemacht hast?

Genau. Diese Frage wird mir immer gestellt. Es war so, dass in den langweiligen Umbauphasen Leute auf die Bühne geholt wurden, um die anderen Zuschauer zu unterhalten. Das ist wohl auch schon seit Jahren so und ich bin nicht der erste, der über diesen Weg letztendlich in die Show gekommen ist. Ich wusste, als ich als Zuschauer dort war, dass es die Möglichkeit gibt, vorzusingen und für mich war klar, dass ich mich dann melde. Ich war im Colosseum in Essen damals der Einzige, der sich gemeldet hat. Ich bin dann auf die Bühne und als nach meinem Auftritt der Goldregen von der Decke kam, wusste ich erstmal gar nicht, was das bedeutet. Ich hatte die Show, zugegebenermaßen, davor noch nie vollständig gesehen. Die Teilnahme bei „Das Supertalent“ war für mich wie ein Märchen.

Wo bist du in Las Vegas aufgetreten?

In der Murray Sawchuck-Show – das ist eine Zaubershow und in der „V-The Variety Show“ im Planet Hollywood. Dieser ganze Trip – 5 Tage Las Vegas und 5 Tage Los Angeles – war eine super Erfahrung. Früher war Las Vegas nicht unter meinen Top 10 der Reiseziele, aber nachdem ich da war, steht für mich fest: Da will ich unbedingt nochmal hin! Ich kann es nur jedem empfehlen.

Bist du momentan irgendwo unter Vertrag?

Ich habe seit damals das gleiche Management. Gemeinsam mit Diana Schneider – Schauspielerin bei Köln 50667 – habe ich ein deutschsprachiges Duoprojekt namens „ZweiLand“ ins Leben gerufen. Im Juli wird es die erste Single geben, die von Bülent Aris (NSYNC, Backstreet Boys, Sarah Connor) produziert wurde.

Hast du viele Fans oder sogar Groupies?

Das will ich jetzt nicht so behaupten. Klar habe ich seit der Sendung einige Fans, die mir die Treue geschworen haben. Das ist nicht selbstverständlich. Gerade Menschen, die wegen der Musik zu Konzerten kommen und nicht nur online alles kommentieren, sind mir wichtig.

Für mich geht es hauptsächlich darum, Musik zu machen und nicht ein Popstar zu sein, der sämtliche Magazin-Cover ziert. Klar, wenn sowas kommt, freue ich mich natürlich, aber das ist nie mein primäres Ziel gewesen. Ich möchte schöne Konzerte spielen und Musik machen.

Seit wann lebst du im Ruhrgebiet?

Ich bin mit drei Jahren mit meinen Eltern ins Ruhrgebiet – genauer gesagt nach Bochum – gekommen. Ich habe eigentlich einen relativ normalen Lebenslauf: Grundschule, Gymnasium, Abitur. Im Anschluss habe ich Zivildienst geleistet und war für ein Stipendium an der Stage School in Hamburg. Dann hat sich die Geschichte mit der Band damals entwickelt und ich bin zurück nach Bochum gezogen, wo ich auch studiert habe.

Was magst du am Ruhrgebiet?

Ich war schon immer gerne hier im Ruhrgebiet – das ist mein zu Hause! Man will hier gar nicht weg. Ich finde auch diese Idee von „Ruhrstadt“ bzw. „Metropole Ruhr“ total attraktiv. Man ist superschnell überall. Ich arbeite auch überwiegend im Ruhrgebiet und NRW. Meine Familie und Freunde sind hier. Wir haben hier alles, was wir brauchen. Ansonsten bin ich jemand, der sehr, sehr gerne isst und da finde ich, dass wir eine sehr attraktive Gastronomie zu bieten haben.

Könntest du dir vorstellen in Korea zu leben und zu arbeiten?

Nein, um dort zu arbeiten, wäre ich glaube ich zu alt. Da zielt das Musikbusiness schon sehr auf Jugend und Schönheit ab. Man wird dort sehr fremdbestimmt und auf Kommerz getrimmt.

Ich bin schon sehr froh, dass ich in Deutschland geboren bin. Ich finde Korea super, freue mich auch, dass ich das Exotische mitbekommen habe – das macht einen ja auch immer besonders. Aber ganz in Korea leben könnte ich nicht. Wir haben hier in Deutschland eine relativ stabile politische Situation, sind nicht unmittelbar von Kriegen oder Naturkatastrophen bedroht und haben ein gutes Gesundheitswesen. Das finde ich sehr wichtig.

Und gerade als Sänger bin ich als Koreaner eher eine Ausnahme. Es gibt auch kaum asiatische Schauspielerinnen oder Schauspieler, die nicht gerade in Actionfilmen kämpfen.

Du machst auch einen Food-Blog auf Instagram?

Ja, das stimmt. Essen ist mein absolutes Lieblingshobby. Ich koche gerne, gehe auch total gerne im Supermarkt einkaufen und besuche neue Restaurants. Ich bin schon jemand, der da sehr viel Geld für investiert – das ist mein einziges Laster, wenn man das so nennen mag. Ich kann mich für ’ne gute Currywurst aber genauso begeistern wie für ein Menü vom Sternekoch – solange es gut ist, gut schmeckt und am besten noch gut aussieht: fürs Foto!

Welches sind deine persönlichen Top drei Tipps im Ruhrgebiet?

Wer richtig, richtig gutes Sushi essen möchte, sollte ins Takeshi in Bochum gehen. Das liegt ganz außerhalb und hat nur an fünf Abenden in der Woche geöffnet. Das Essen sieht aus wie gemalt und ist entsprechend hochpreisig. Die Bestellungen dauern ziemlich lange, aber die Wartezeit lohnt sich! Es gibt sehr interessante Kombinationen. Das ist für Sushi meine erste Adresse.

Ich mag auch Systemgastronomie wie das Okinii in der Innenstadt von Essen neben dem Vapiano. Das finde ich sehr gut. Ich kannte das schon aus Düsseldorf. Man bekommt asiatische Fusionsküche. Und dafür, dass es so ein Massending ist, ist es qualitativ und auch preislich absolut in Ordnung. Man bestellt all-you-can-eat über ein iPad und kann vieles probieren und sich richtig satt essen.

In Dortmund kann ich den Koreaner Namu, was übersetzt Baum bedeutet, empfehlen. Da bekommt man glutamatfreie, authentische koreanische Küche.

Kochst du immer alleine?

Ja, hauptsächlich. Es ist schon ok, wenn jemand hilft und zuarbeitet, aber sonst nervt mich das schnell, wenn jemand drum herum ist und ich das nicht unter Kontrolle habe. Ich habe das Kochen nie gelernt, gehe auch häufiger essen, als dass ich selbst koche, aber ich denke, dass ich das trotzdem ganz gut hinbekomme.

Was ist dein Lieblingsgericht?

Definitiv Sushi.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann und warum?

Oh! Ich glaube ich wäre eine Marvel-Figur. Ich habe keine konkrete Figur im Sinn, aber wäre gern jemand, der sich teleportieren kann. Ich denke das wäre eine sehr nützliche Fähigkeit, um Zeit und Geld zu sparen, um viele Dinge zu erleben und viele Menschen und Orte zu sehen.

Das Interview führten wir im Juni 2017.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.