Chris Werner aus Essen

„Für mich ist das Ruhrgebiet Pommes, Mayo, Currywurst.“

Hallo Chris, stelle dich doch bitte kurz vor.

Ich bin Chris, 28 Jahre alt und wohne in Essen und mache ganz lange schon Musik. Seit dreieinhalb Jahren mit meiner Band Kuult. Ich bin wahnsinnig oft unterwegs, da ich noch Musikdozent bin. Ich unterrichte Gitarre, Gesang und Songwriting und spiele ein kleines bisschen Klavier. Ich habe zusammen mit meinem Bandkollegen eine eigene Musikschule in Essen und mache einfach von morgens bis abends Musik.

Ursprünglich habe ich das mit der Musikschule nur gemacht, um meine Eltern zufriedenzustellen. Ich habe Abitur und meine Eltern wollten, dass ich studiere, aber ich wollte lieber Musik machen. Meine Mom ist da eher konservativ und konnte das nie verstehen. Mein Dad war da entspannter. Mittlerweile macht mir das mit der Musikschule aber super viel Spaß. Ich habe total talentierte Leute da und es macht super Bock zu sehen, wie kleine Kids reinkommen und nach einem Jahr schon ein ganzes Lied alleine spielen können.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Ich habe Musik immer als Hobby gesehen. Ich habe als kleines Kind sehr gerne gesungen. Damals im Auto bei meiner Mutter habe ich oft unbewusst Zweitstimmen gesungen. Ich habe also gar nicht richtig mitgesungen sondern immer drunter und drüber und links und rechts … und das hat alle genervt. Ich habe dann mal auf einem Weihnachtsmarkt gesungen, in der Schule beim Theaterkurs und hatte irgendwann dann die ersten kleinen Miniauftritte. Dann habe ich mir autodidaktisch Gitarre beigebracht, weil ich einfach irgendwas brauchte, um mich selbst zu begleiten. Damals über YouTube-Videos, die vor zehn Jahren echt noch schlecht in dem Bereich waren. Aber es hat geklappt.

Wie kam es dann zur Band Kuult?

Vor fünf bis sechs Jahren hab ich dann in so Kneipen und auf der Straße gespielt und irgendwer hat ein Video von mir gemacht, dass dann mein Management gesehen hat. Die haben mich dann gefragt, ob ich auch eigene Sachen schreiben könnte und ich war dabei. Drei Wochen später war ich das erste Mal auf Tour mit eigenen Liedern und mit Kuult.

Wieviele Bandmitglieder hat Kuult?

Wir sind zu dritt in der Band. Mit Philipp – unserem Gitarristen – hab ich vor Kuult schon zwei- bis dreimal Coversongs gespielt. Den kannte ich also schon. Aber wir drei haben uns ungefähr dann auch erst kennengelernt als Kuult gestartet ist. Ich brauchte ja Musiker als ich auf Tour ging, da hatte ich Crause – unseren Bassisten – einfach noch gefragt, ob er nicht Bock hätte mitzumachen. Das hat einfach so gut gepasst, dass wir entschieden haben, zu dritt zusammen zu bleiben.

Wie erfolgreich ist deine Band?

Ich bin sehr zufrieden. Wir haben diesen klassischen Ochsentourenweg gewählt. Wir spielen 70 bis 80 Konzerte im Jahr, haben viele Supports gemacht, unter anderem mit Glasperlenspiel, Max Giesinger und Alexander Knappe. Dafür, dass wir alles selbst gemacht haben, können wir glaube ich sehr stolz auf das sein, was wir bisher alles geschafft haben.

Wo tretet ihr mit der Band auf?

Bei 70 bis 80 Konzerten pro Jahr gibt es kaum eine Stadt, in der wir noch nicht gespielt haben und kaum eine Raststätte, an der wir noch nicht angehalten haben. Wir spielen sehr viel im Norden, in Kiel, Hamburg und sind auch jedes Jahr auf Juist. In Berlin spielen wir sehr oft. Im Süden Deutschlands sind wir noch nicht so bekannt, aber hier zuhause im Ruhrgebiet kommen schon so 1.000 Leute zu einer Show. Die Weststadthalle in Essen war das letzte Mal ausverkauft.
Beim ersten Konzert standen noch 30 Leute und jetzt schon 1.000.

Was macht ihr genau für Musik?

Pop. Man kann wirklich sehen, wie wir uns auf dem ersten Album entwickelt haben. Ich glaube, dass wir uns musikalisch beim zweiten Album mehr gefunden haben. Ich darf gar nicht so viel darüber erzählen, aber es wird auf jeden Fall tiefer und ein bisschen ausgefuchster. Ich glaube, dass es ein ganz anderes Level erreicht hat als das erste Album.

Schreibt ihr die Songs selbst?

Wir schreiben alles selber. Jeder Song ist für sich eine abgeschlossene Geschichte. Es sind natürlich auch immer Stories, die man mit sich selbst verbindet.

Und wird oft nach den Konzerten noch gefeiert?

Wir haben immer so Phasen. Mal trinken wir nach den Konzerten Alkohol, aber mal auch nicht. Manchmal denke ich auch, ach komm, man ist danach immer so kaputt, wenn man nach den Konzerten noch feiern geht. Und so versucht man immer, das im Rahmen zu halten und dabei denke ich auch an meine Gesundheit.

So richtig abgestürzt bin ich eigentlich nur einmal. Ich erzähle das mal, aber das ist nicht zum Nachmachen geeignet! Ich war aber völlig unschuldig daran. Wir haben in meiner Jugend mal ein Onlinespiel gespielt – World of Crime. Da ging es darum, Drogen zu kaufen und woanders Drogen zu verkaufen. Dafür gab es dann sogenannte Erfahrungspunkte. Das war das ganze Ziel des Spiels. Es gab eine Liste mit legalen und illegalen Drogen in dem Spiel. Da gab es in der einen Liste zum Beispiel „Alkohol“, „Marihuana“ und eben auch die „Engelstrompete“. Die hatte ich dann damals gegoogelt und als ich Bilder davon sah, habe ich gemerkt, dass diese Pflanze bei meiner Oma im Garten wuchs. Wir waren 15 und hatten einfach keine Ahnung! Wir haben uns dann aus Spaß einige Blüten davon genommen und einen Tee davon gekocht. Heute weiß ich, dass das dazu hätte führen können, dass wir alle bleibende Schäden davontragen.

Wie lief das dann ab?

Wir haben die Blüten also gekocht und dann Longdrinkgläser von diesem Tee getrunken. Ich glaube, es ist vergleichbar mit einem LSD-Trip. Wir saßen also so auf der Couch und auf einmal haben Dinge angefangen, sich zu bewegen. Auf dem Tisch lagen Sachen, die sich für mich verbogen und schwebten. Dann hab ich gedacht, dass ich raus müsste und bin gegangen. Draußen kamen aber die Pflastersteine aus dem Boden und ich bin wie blöd da über diese Steine balanciert. Das muss total witzig ausgesehen haben. Als ich dann zuhause war, wurde es aber richtig übel. Ich hab mich auf mein Bett gelegt und ich hatte damals in meinem Zimmer eine Wischtechnik auf der Tapete. Ich habe auf einmal in dieser Wischtechnik Gesichter gesehen – erst in 2D und dann sogar in 3D. Die haben dann angefangen, mit mir zu reden und da hab ich mich unter der Decke versteckt und hatte echt Schiss. Dann kam mein Bruder nach Hause. Der hatte noch mehr von dem Teufelszeug getrunken und litt unter komplettem Sprachverlust. Ich hab ihn reingelassen, bin wieder ins Bett und er saß in meinem Zimmer und hat irgendwelche Laute von sich gegeben. Irgendwann nach entsetzlich langer Zeit hörte das alles auf. Ich war aber noch eine Woche lang kurzsichtig. Nach diesem Erlebnis bin ich tatsächlich geheilt. Ich hab danach nie mehr was angefasst, was mit psychedelischen Drogen zu tun hat. Da hab ich echt keinen Bock drauf.

Was bedeutet das Ruhrgebiet für dich?

Für mich ist das Ruhrgebiet Pommes, Mayo, Currywurst. Das Schöne am Ruhrgebiet ist, wenn du das erste Mal irgendwo hinkommst und ein netter Kerl bist, dann wirst du beim zweiten Mal schon begrüßt mit „Hey Chris, schön dass du da bist!“. Es gibt hier viele verschiedene Leute, aber trotzdem Intimität. Du hast hier den Bänker neben dem Musiker und es funktioniert. Es ist nicht so anonym wie zum Beispiel in Berlin. Wenn du hier nett bist, dann sind die Leute auch nett zu dir und dass finde ich hier so super.

Wenn das Leben ein Comic wäre, welche Figur wärst du dann?

Früher war ich Bart Simpson. Ich bin auch oft mit dem Skateboard gefahren und hab viel Scheiße gebaut. Ich war frech. Bin ich jetzt nicht mehr, aber früher war es so.

Das Interview führten wir im Februar 2017.

Das Interview bietet einen Einblick in die Gedanken, Meinungen und Perspektiven der interviewten Person zu diesem bestimmten Zeitpunkt, reflektiert aber nicht zwangsläufig ihre gesamte Persönlichkeit oder ihre langfristigen Ansichten. Das Leben verändert sich stetig. Unsere Überzeugungen, Werte und Erfahrungen entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter. Was heute wahr oder relevant ist, kann in der Zukunft anders aussehen. Dieses Interview ist als Momentaufnahme zu verstehen.